«Jobsharing – Gewinn und Herausforderung in der Theorie und Praxis» – HR-Apéro 2023
Unser diesjähriger HR-Apéro am 6. Juni 2023 lockte mit einem spannenden Thema: Jobsharing in der Theorie versus in der Praxis.
By Maya Töpperwien, Juni 2023
Welche Herausforderungen stellen sich im Jobsharing? Und welche Vorteile kann es bieten? Vielerlei Fragen hat sich unser Referent Gerhard Bayard, Leiter Human Resources und Change bei SRF, für diesen Apéro überlegt. Diese stellte er Edith Faude und Sibylle Genzel. Die beiden gibt es bereits seit über 12 Jahren nur im Doppelpack, womit sie sich als wahre Expertinnen zum Thema Jobsharing erweisen.
Wie entstand das Jobsharing-Duo?
Sibylle und Edith lernten sich bereits vor 20 Jahren kennen. Damals waren sie beide in der Flugbranche tätig, Sibylle im Marketing und Edith im Verkauf. Die Zusammenarbeit fand damals zwar noch nicht so eng wie heute statt, jedoch bewiesen die zwei einander schnell, dass sie gut miteinander zusammenarbeiten können.
Als Edith danach in die Finanzbranche wechselte und Nachwuchs erwartete, war für sie klar: Es gibt nur eine Person, der sie als Stellvertreterin während ihres Mutterschaftsurlaubs komplett vertraut – nämlich Sibylle. Die Chemie zwischen den beiden wurde rasch auch intern wahrgenommen und so kam das Jobsharing zustande. Mittlerweile arbeiten beide je 60%, wobei 50% für die tatsächliche Arbeit dienen und 10% für die Ferienvertretung.
Es klingt idyllisch – aber war es immer so leicht?
Gerhard Bayard möchte nicht nur über die positiven Aspekte des Jobsharing reden. Aus seiner Sicht als HR-Profi gibt es auch viel mögliches Konfliktpotenzial in einem solchen Arbeitsverhältnis. Sibylle meint hingegen: abweichende Meinungen gehören dazu! In jeder Teamkonstellation müssen Kompromisse gesucht werden. Da sie und Edith sich jedoch bereits so lange kennen und einander vertrauen, lassen sich diese schneller finden. Auch Edith meint: Es gibt keinen Platz für gegenseitige Vorwürfe. Die beiden Kolleginnen befinden sich in einem steten Austausch, in welchem man auch mal nachgeben muss.
An die anwesenden HR-Profis richten sie den Appell: Es braucht mehr Unterstützung für Jobsharing-Modelle! «Man kriegt sozusagen zwei Hirne für eins», heisst es dabei. Edith betont, dass sie und Sibylle sich gegenseitig ergänzen: «Sibylle ist unkomplizierter, ich verwende jeweils noch einen Satz mehr im E-Mail. Da unterscheiden wir uns, und es ist eine gute Basis, auf der wir aufbauen». Sibylle als kreativere und Edith als strukturiertere Assistentin bieten ihrem Arbeitgeber eine Leistung, die nur durch ein Jobsharing-Modell möglich wird: «Die Ferienübernahme ist immer garantiert, alles ist immer abgedeckt. Es ist für den Arbeitgeber eine gute Ausgangslage und eine zusätzliche Sicherheit».
Welches sind die Hürden für Jobsharing im Bewerbungsprozess?
Gerhard ist dem Jobsharing gegenüber nicht abgeneigt – im Gegenteil, die zwei Damen beeindrucken ihn und auch SRF möchte in Zukunft das Jobsharing stärker fördern. Doch was braucht es, damit der Prozess für ein Duo wie Sibylle und Edith einfacher wird?
Die Hürden seien zum Beispiel Bewerbungstools, bei welchen man sich nur als Einzelperson bewerben kann. Sibylle und Edith haben öfters bei den Firmen nachgefragt, wie sie elektronisch bewerben sollen. Die Antwort? «Keine Ahnung!». Wenig professionell vom HR! Das Duo geht dann provokativ vor, indem es eine Ansprechperson im Unternehmen findet oder sich direkt beim CEO meldet. Dieses Vorgehen hat für Sibylle und Edith immer funktioniert, doch sollte es einen einheitlichen Prozess für die Bewerbung als Jobshare geben. «Bewirbt man sich allein und sagt dann, ich komm übrigens in Begleitung?», fragt Sibylle. Hierzu meint Gerhard klar: Transparenz steht an oberster Stelle. Dass die Bewerbungstools aber eine einheitliche Lösung bieten müssen, da sind sich alle drei einig.
Wie sieht die Zukunft aus?
Gerhard möchte wissen, wie es für die zwei Damen weitergeht. Für sie steht fest: das Doppelpack bleibt bestehen. Der Zusammenhalt der zwei hatte auch eine positive Wirkung auf ihr Umfeld: «Sibylle und ich wurden schon darum beneidet, dass wir in unseren Ferien wirklich frei haben. Das gegenseitige Vertrauen lässt das Modell funktionieren». Auch ist das Modell eine wirksame Prävention gegen Burnout, da die anfallende «Last» auf zwei Schultern verteilt ist.
Doch was, wenn nur eine Partei den Job wechseln möchte? Wie findet man ein neues Pendant? Für Gerhard ist klar: Es ist nicht unmöglich, aber es ist auch nicht einfach. Im Bewerbungsprozess für eine Jobsharing-Position müsse man über andere Dinge sprechen als in einem «normalen» Prozess. Es geht hier nicht um Fachkompetenzen – diese stellen laut Gerhard selten ein Problem dar –, sondern es muss in erster Linie über Werte diskutiert werden. Wer sich da nicht einig ist, wird Schwierigkeiten als Duo haben. Edith betont dabei nochmals den Aspekt des Vertrauens, welches essenziell für ein funktionierendes Jobsharing ist.
Heisst Jobsharing mehr Aufwand in der Führung?
Aus HR-Sicht bringt das Jobsharing viele Fragen mit sich. So fragt Gerhard provokativ: «Heisst Jobsharing doppelt so viel Aufwand in der Führung?». Sibylle entgegnet schnell: «Ein Mitarbeitendengespräch kann man auch zu dritt führen». Es wird klar: Beide wollen sich vom Jobsharing nicht mehr trennen. Die zwei bleiben ein starkes und beeindruckendes Duo.
Zum Abschluss fragt Gerhard, wie denn ihr gemeinsamer Pensionierungsapéro aussehen würde: «Was würdet ihr in einer gegenseitigen Würdigung zueinander sagen?». Sibylle antwortet: «Ich würde ihr sagen, dass ich dankbar bin für eine so coole gemeinsame Zeit. Bei allem anderen sagen wir uns bereits regelmässig danke, da muss man nicht auf die Pensionierung warten». Die zwei scherzen, dass ihnen bereits gesagt wurde, sie seien wie ein altes Ehepaar.
Gerhard schliesst die Diskussion mit einem positiven Fazit: «Ihr habt mich bei der Vorbereitung zu diesem Apéro sehr beeindruckt. Wie ihr zueinander als Sparringpartner steht. Wie ihr diese Konstellation lebt. Wie ihr einen gemeinsamen Weg gegangen seid und auch in Zukunft gemeinsam gehen wollt. Wie ihr euch gegenseitig einschätzt.»
Jobsharing kann zu Beginn zwar einen minimalen Initialaufwand geben, aber ist eine Bereicherung, wenn es funktioniert.
Vielen Dank an Gerhard, Sibylle und Edith für die angeregte und spannende Diskussion und vielen Dank an unsere Gäste.