«Cheese» – fotografische Skurrilitäten in Bewerbungsdossiers
Nachfolgend einige praktische Empfehlungen an Sie als potentielle Bewerber:in, sollten Sie sich wieder auf Stellensuche begeben.
Aus dem Archiv von Sabine Biland-Weckherlin für HR Today.
Glücklicherweise verbietet mir das Datenschutzgesetz, meine nachfolgenden Beobachtungen aus unserem Beratungsalltag mit bildlichen Beispielen zu untermalen. Stattdessen werde ich versuchen, Ihnen plastische Eindrücke dessen zu vermitteln, was Kandidat:innendossiers nicht selten an fotografischen Skurrilitäten enthalten.
Dabei steht es mir fern, herablassende Aussagen über die Persönlichkeiten hinter den bestimmt gutgemeinten Selbstdarstellungen zu machen – vielmehr möchte ich aufzeigen, welchen ungewollten negativen Eindruck sie möglicherweise bei Personaler:innen hinterlassen.
Bewerbungsfotos können ein mitentscheidender Trumpf im Selbstmarketing jedes Kandidaten und jeder Kandidatin sein. Sie verleihen einer klassischen Kandidatur einen menschlichen Touch und ein buchstäbliches Gesicht hinter der Auflistung an Geleistetem. Nachfolgend einige praktische Empfehlungen an Sie als potentielle Bewerber:in, sollten Sie sich wieder auf Stellensuche begeben.
Ihr Lieblingspferd muss nicht unbedingt mit aufs Bild
Deshalb sollte das Bewerbungsfoto Seriosität und Vertrauenswürdigkeit ausstrahlen. Sofern Sie es mit der Ernsthaftigkeit nicht gleich übertreiben, wirken Sie noch längst nicht «stier». Wenn Sie sich aber bewusst locker darstellen möchten und hierfür den coolen Freizeitlook wählen, werden Sie vermutlich in der herkömmlichen Unternehmenswelt wenig Zuspruch erhalten.
Darum lassen Sie sich nur dann mit Ihrem Lieblingspferd ablichten, wenn Sie die Reinkarnation von Pippi Langstrumpf sind. Sofern Sie aber unbedingt das Strandbild aus den letzten Sommerferien in Rimini verwenden möchten, das Sie braungebrannt im farbigen Spaghettiträger-Top zeigt, so sind Sie vermutlich beim Club Med an der besseren Adresse als in der Grossbank.
Lassen Sie Kussmund und Kleinmädchenblick weg
Mit Ihrer Bewerbung können Sie sich von Ihren Konkurrent:innen abheben und als Sympathieträger positionieren, den man sich zukünftig im eigenen Team wünscht. Oder eben auch nicht.
Insbesondere Bewerberinnen fällen häufig durch bildliche Missgriffe auf.
Die auffälligsten Fauxpas haben mit dem weiblichen Blick zu tun: Von aufreizendem Schlafzimmerblick bis zum verführerischen Blick über die Schulter bis zum unschuldigen Kleinmädchenblick mit Kussmund. Zahlreiche Frauen unterliegen offenbar dem Irrtum, künftige Arbeitgebende gelte es durch weibliche Reize zu verführen. Zu sehen teilweise auch an der Kopfhaltung, die je nach Schräglage billig oder überheblich wirken kann. Solche Bilder gehören allenfalls auf eine Partnerplattform, aber sicherlich nicht in ein Bewerbungsdossier.
Übrigens stossen auch Tattoos und Piercings nicht überall gleichermassen auf Begeisterung – schon die eine oder andere Kandidatur ist daran auf Kundenseite gescheitert. Dies gilt es nüchtern zu bedenken.
Dass ein:e Bewerber:in mit einer freundlichen Ausstrahlung mehr punktet als ein:e streng aussehende:r oder Zähne fletschende:r Kandidat:in, ist klar – aber keineswegs ein Grund dafür, vor der Kamera ein Lachen zu erzwingen. Ein sanftes, möglichst unverstelltes Lächeln wirkt einfach viel überzeugender
Keine Bodybuilder, keine Christbäume
Auch punkto Kleidung sollte ihre Aufnahme mit der angestrebten Position in Einklang stehen. «Dress for the job you want, not the job you have!» ist hier der treffende englische Ratschlag. Ihr Outfit sollte gepflegt und angemessen sein, aber nicht übertrieben.
Verkleiden Sie sich nur ja nicht für den Fototermin – es handelt sich ja schliesslich nicht um einen Kostümball. Frauen wählen bitte keine Kleider, die zu tiefe Einblicke ins Dekolleté zulassen oder nackte Schultern offenbaren. Auch sind Sie schlecht beraten, wenn Sie sich wie ein geschmückter Christbaum mit Lametta ablichten lassen.
Versuchen Sie nur ja nicht, um jeden Preis einen guten Eindruck zu hinterlassen! Die Männer der Schöpfung hingegen tun gut daran, dem obersten Hemdenknopf und der Krawatte die nötige Aufmerksamkeit zu schenken und von Bodybuilder-Darstellungen in straffem T-Shirt Abstand zu nehmen.
Vermeiden Sie nachgestellte Denkerposen
Ihr Besuch im Fotostudio ist nicht zu verwechseln mit einem Kunst-Happening oder einer avantgardistischen Performance – ausser natürlich, Ihre Bewerbung zielt auf eine Bühnenkarriere ab. Bleiben Sie sich selbst und vermeiden Sie nachgestellte Denkerposen à la Rodin oder theatralische Settings, die Sie als Manager:in am Chefpult oder als gestikulierende:r Redner:in darstellen.
Erzwungene Originalität dieser Art wirkt höchstens peinlich und kostet Sie eine unnötige Stange Geld. Ganzkörperaufnahmen oder Seitenansichten sind ebenso Tabu. Ein Porträtbild heisst nicht umsonst so!
Bleiben Sie erkennbar
Wohl der allerpeinlichste Fehlgriff bei der Wahl des Bewerbungsbilds geschieht bei der sehr oft fehlenden Aktualität der Aufnahme. Man empfiehlt nicht zu Unrecht: Ihre Bilder sollten nicht älter als zehn Jahre sein.
Vollends kontraproduktiv ist die Absicht, sich mittels Verwendung vollkommen veralteter Fotos besonders gut darzustellen dann, wenn Sie nicht mehr als die Person auf dem Bild erkannt werden. Genau dies ist mir schon passiert. Wie peinlich dies für beide Seiten ausfällt! Dies geschieht, wenn sich ein Ü-50er mit einem Jugendbild bewirbt, weil offenbar die Zeit für eine neue Aufnahme gefehlt hat. Oder wenn mit Retuschen am Bild übertrieben wurde.
Eine Absage an Schnappschüsse, Automatenbilder und Selfies
Die Qualität eines Bewerbungsbilds ist ausschlaggebend für den Erfolg. Dabei führt kein Weg an einem spezialisierten Fotostudio vorbei. Dies ist demzufolge eine Absage an alle Passbilder aus dem Fotoautomaten, Schnappschüsse aus den Ferien oder von Familienfeiern und an Selfies jeglicher Art.
Und noch ein wenig Technik: Auch wenn Sie von Ihrem Konterfei noch so begeistert sind, wählen Sie bitte ein angemessenes, kein seitenfüllendes Format oder Mehrfachabbildungen auf jeder Seite. Und stellen Sie bitte auch eine hohe Auflösung Ihres Bildes sicher, so dass man Sie mehr als nur den Konturen nach erahnen kann. Die Digitalisierung verleitet offenbar auch immer wieder zu unvorteilhaften Bildverzerrungen in die Höhe oder Breite – ähnlich wie im Spiegellabyrinth am Jahrmarkt.
Ein missratenes Bild sagt viel aus
In einem Bewerbungsdossier steckt meist viel Herzblut. Umso mehr wünsche ich manchen Kandidat:innen, dass sie künftig auch ihr Porträt sorgfältiger auswählen und die gewünschte Aussenwirkung kritischer überprüfen – insbesondere vor dem Hintergrund der anvisierten Stelle.
Hart aber wahr: Ein missratenes Bewerbungsbild ist eine persönliche Aussage über Sie selbst und kann einen noch so positiven Gesamteindruck Ihres Dossiers trüben und notfalls sogar zur Absage führen. Selbstverständlich geht es hier immer nur um die Qualität der gewählten fotografischen Selbstdarstellung und nicht um diskriminierende Ausschlussgründe infolge von Aussehen, Alter, Volkszugehörigkeit etc.
Auch wenn in unseren Breitengraden – entgegen angelsächsischer Gepflogenheiten – Bewerbungsfotos ebenso Usus sind wie Geburtsdaten, so gilt als abschliessende Faustregel: Im Zweifelsfall besser kein Bild als ein Schlechtes.