Zeitreise durchs Recruiting:
Ein persönlicher Rückblick und kuriose Fundstücke
Unsere langjährige Mitarbeiterin und Autorin unseres Blogs Sabine Biland-Weckerling sagt «Au Revoir» und verabschiedet sich in ihren wohlverdienten Ruhestand. Doch bevor sie sich endgültig entspannt, hat sie für uns nochmals die Tasten angeschlagen und blickt auf die letzten 15 Jahre und noch weiter zurück. Wir danken Sabine herzlich für die zahlreichen spannenden Blogbeiträge, die sie für uns verfasst hat und wünschen ihr einen schönen Ruhestand.
Von Sabine Biland-Weckherlin, April 2024
Nach 15 Jahren als Partnerin von da professionals verabschiede ich mich mit einem herzlichen «Au Revoir» und einem grossen Dankeschön von Ihnen! Doch vorher blicke ich noch einmal zurück. Zurück auf meine Zeit bei da professionals – und dann noch ein wenig weiter zurück in die vergangenen Jahre der Personalberatung. Begleiten Sie mich auf diesem nostalgischen Streifzug, der nicht nur meine persönlichen Highlights, sondern auch allerlei Kurioses aus der Vergangenheit der Personalvermittlung beleuchtet.
In den vergangenen 15 Jahren als Beraterin tauchte ich in ganz unterschiedliche Welten ein und lernte die verschiedensten Menschen und Unternehmen kennen. Mein Weg führte mich von der eleganten Bettwäsche-Firma bis zum chaotischen Startup, vom High-End-Schmuckgeschäft über das 5-Sterne-Hotel bis zum Pharmaunternehmen, von der florierenden Grossbäckerei über die pionierhafte Kunstinstitution bis in die höchsten Sphären der Architektur.
Ich lernte Traumchefs in nicht so attraktiven Industrien kennen – und Narzissten in Traumfirmen. Ich lernte, wie zwei Menschen beruflich zueinander finden können, wo zuvor neun andere das Handtuch geworfen haben. Ich lernte, dass vor allem der Mensch, das Team, die Kultur und der gemeinsame Spass das Zünglein an der Waage der beruflichen Zufriedenheit sind. Ich lernte die Schweiz zwischen Schaffhausen, Netstal, Herisau, Wollerau und Münchenstein besser kennen.
Es gab Firmen, die mich so sehr begeisterten, so dass ich am liebsten selbst dort gearbeitet hätte. Und es gab solche, bei denen ich erleichtert war, als der Suchprozess beendet und die Garantiefrist des Kandidaten heil überstanden war. Es gab eine Kandidatin, die schon nach 5 Tagen den «Bettel» hinschmeissen wollte, um sich nach weiteren drei Wochen gegenüber dem Arbeitgeber und mir vollständig von der Bildfläche zu verabschieden. Und es gibt eine Kandidatin, die den Rekord mit stolzen 13 Anstellungsjahren beim selben Arbeitgeber hält. Ich fand ein harmonisches Assistentinnen-Duo für eine Stelle, die deren Vorgängerin 45 Jahre lang in Alleinregie bekleidet hatte. Mit tatkräftiger Unterstützung des Teams durfte ich u.a. die Stellen von Country Manager:innen, Digital Transformation Analysts und vielerlei Variationen von Assistentinnen besetzen. Und zwischendurch auch die eines Hauswarts, eines Chauffeurs, eines Platzwarts und einer Haushälterin.
Die Spannweite dieser unterschiedlichen Welten liebte ich!
Nach 15 Jahren als Partnerin von da professionals verabschiede ich mich heute in den Ruhestand. Aber nicht, ohne vorher noch ein wenig in der Vergangenheit unserer Firma gestöbert zu haben. Dabei fand ich allerlei Interessantes, sowohl aus der Geschichte des Recruiting allgemein als auch im Archiv der heute 50-jährigen da professionals. Hier ein kleines Sammelsurium meiner Funde.
Codierungen und «kleine Geheimnisse»
Das Abenteuer beginnt auf den verblichenen Seiten einer Schweizer Illustrierten vom März 1975. Darin entdecke ich eine Anleitung für das Verfassen von Arbeitszeugnissen, inklusive der Kunst des Codierens. Hat eine Person damals laut Arbeitszeugnis «grosses Einfühlungsvermögen» gezeigt, wurde dies mit unangemessenen Flirtversuchen am Arbeitsplatz gleichgesetzt. «Er verlässt uns auf eigenen Wunsch» ohne weiteres Bedauern war der höfliche Applaus für den Abschied des unliebsamen Mitarbeiters.
Übrigens sollen Arbeitszeugnisse laut dieser Anleitung allgemein wohlwollend formuliert werden. Ausser in «Extremfällen»: Wenn jemand täglich eine Stunde zu spät ins Büro komme oder betrunken am Schreibtisch sitze, so dürfe dies im Zeugnis erwähnt werden.
Der Artikel erwähnt ausserdem, dass «auch Unterschriften manchmal ihre kleinen Geheimnisse haben» und erklärt, dass ein winziger Strich bedeuten könne, dass der Betreffende «Mitglied einer Gewerkschaft» sei.
Skurriles aus der Vergangenheit des Recruiting
Als nächstes fällt mir eine Anleitung zur Einholung von Referenzauskünften in die Hände, wo ich über die Frage stolperte, ob der oder die Bewerbende an einer Suchtkrankheit («Drogen, Medikamente, Alkohol») leide. Heute wäre eine solche Frage undenkbar, damals gehörte sie offenbar zum Standardprozess.
In einem alten Interview-Leitfaden finde ich folgende Idee für eine knackige Frage an Bewerbende: «Was würde auf Ihrem Grabmal stehen?» Wow! Die Fragen «Wenn Sie ein Auto wären, welches?» und die heute verpönte Frage nach Stärken und Schwächen wirken daneben geradezu unscheinbar.
In einem Adverbien-Glossar für die schriftliche Beurteilung von Kandidatinnen und Kandidaten finden sich Hinweise auf die längst aus der Zeit gefallene Praxis, Bewerbende nach ihrer Motorik, Mimik und Konstitution zu beurteilen. Die darin erwähnten Begriffe wie «mager», «beleibt» und «derb» zur Beschreibung der Konstitution oder «gespannt», «gelöst» und «schlaff» zur Beschreibung der Motorik und Mimik führten damals zu direkten Rückschlüssen auf die Persönlichkeit, die Arbeitsmoral und die generelle Eignung für eine Position. Auch solche Bewertungsmethoden sind heute (zum Glück!) undenkbar und haben Platz gemacht für modernere und objektivere Ansätze.
Handschrift-Analysen, Arbeitskräfteüberschuss und No-Shows
Ein paar Jahre weiter, in einer unserer eigenen postalischen Briefvorlagen von 2004, finde ich folgende Formulierung: «Da Sie am [Datum] erneut Ihren Termin (bei uns) nicht wahrgenommen haben, nehmen wir an, dass Sie unsere Dienstleistungen nicht mehr beanspruchen. Wir erlauben uns deshalb, in der Beilage die uns zur Verfügung gestellten Bewerbungsunterlagen zu unserer Entlastung zurückzusenden.» Im heuteigen digitalen Zeitalter sind solche Förmlichkeiten glücklicherweise nicht mehr nötig – und genauso undenkbar wie die Toleranz für das zweimalige Fernbleiben eines Kandidaten. Ein No-show ist ein No-show zu viel, auch bei Fachkräftemangel.
Apropos Fachkräftemangel: Dieser war um die Jahrtausendwende kein Thema. In einem Artikel von Denise Amman von 2003 an die Kund:innen und «Freunde des Hauses», lese ich den folgenden Satz: «Gegenwärtig melden sich auf eine offene Position häufig sehr viele Bewerber …» Wie sich die Zeiten doch immer wieder ändern.
Noch ein paar Jahre weiter. Unserem internen Unternehmensleitfaden von 2009 entnehme ich, dass «ein graphologisches Gutachten in der Regel nur noch auf Verlangen des Arbeitgebers eingeholt» werde. Für alle die diesen Begriff nicht kennen: Ein graphologisches Gutachten ist eine Analyse der Handschrift, die Rückschlüsse auf die Fähigkeiten, Eigenschaften und die Persönlichkeit eines Kandidaten ermöglichen soll. Solche Gutachten gehörten vor 20 Jahren zu den standardmässigen Dienstleistungen der da professionals. Auch ich musste mich damals einer solchen Prüfung unterziehen – wobei es wahrscheinlich mehr Sinn gemacht hätte, meine Handschrift auf Lesbarkeit zu prüfen!
Auch den Hinweis, dass «der Berater für das rechtzeitige Erscheinen des Inserats» zu sorgen hat, also dieses vor Inserateschluss bei den Zeitungen einreichen muss, braucht es heute nicht mehr. Mein allerletztes Kundeninserat in einer gedruckten Tageszeitung erschien im Jahr 2011.
Vieles hat sich verändert in den vergangenen 50, 20 und auch 15 Jahren. Aber einige Konstanten bleiben auch bestehen. In einem Dokument von 2002 stosse ich auf die folgende Aussage: «Die Erfolgsquote bei unseren Platzierungen beträgt über 95 Prozent» – mit einem gewissen Stolz dürfen wir festhalten, dass dies auch heute noch so ist.
Au Revoir!
In den vergangenen 15 Jahren habe ich mit jedem neuen Mandat emotionale Höhen und Tiefen erlebt, habe mich gefreut, geärgert, teils fremdgeschämt, habe gebangt, gelitten, viel gelacht, gefeiert … und stets viel gelernt. Ich wurde reich beschenkt mit wunderbaren Begegnungen und wertvollen Erfahrungen.
Für das Vertrauen, die erlebte Situationskomik und den gemeinsamen Spass danke ich allen, die Teil meiner Reise waren. Ich sage bewusst «Au Revoir» und nicht «Adieu». Und freue mich sehr, wenn sich unsere Wege wieder einmal kreuzen.