«HR Today» / von Sabine Biland-Weckherlin
Frauen sind in Führungspositionen noch immer untervertreten und haben ganz allgemein einen schwierigen Stand auf dem Arbeitsmarkt. Als Lösungsansatz werden häufig Quoten genannt. Doch um Frauen den Einstieg, das Weiterkommen und die Karriere zu vereinfachen, braucht es keine Quoten, sondern primär verbesserte Rahmenbedingungen an verschiedenen Fronten.
Zur nachhaltigen Verbesserung der Arbeitschancen und -bedingungen arbeitstätiger Frauen, vor allem in der Privatwirtschaft, sind in erster Linie ermutigende Wegbereiterinnen gefordert. Keine Lernmethode ist bekanntlich so wirksam wie authentisch gelebte Vorbilder – sei dies in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder die fachliche Fitness am Arbeitsplatz.
Es mangelt nach wie vor an menschlich und fachlich überzeugenden Managerinnen, die sich auf Entscheidungsebene für Frauenthemen stark machen und selbstbewusst mit gutem Beispiel vorangehen. Nicht jene, die sich ihre Akzeptanz im männlich dominierten Umfeld durch Kopieren einer Männerrolle erkämpfen und mit sektiererischem Emanzipationsgedanken agieren. Diese Frauen handeln primär opportunistisch und erweisen ihren «gemässigten» Geschlechtsgenossinnen einen Bärendienst, weil sie letztlich ihre weibliche Herkunft verleugnen und in gewisser Weise zum Frauenfeind mutieren. Vielmehr könnten erfolgreiche Frauen als persönliche Coaches oder als Patinnen innerhalb der Unternehmung einen nicht zu unterschätzenden Beitrag für die Sache der Frau leisten.
Solidarität statt Zickenkrieg
Frauen kennen die Stolpersteine, die ihnen im Arbeitsleben begegnen, am allerbesten. Umso grösser ist die Verpflichtung, die sie als «mentale Anwältinnen» im Interesse der Frau eingehen müssten. Es sind gar nicht immer in erster Linie die Männer, die Frauen in ihrem beruflichen Weiterkommen behindern, sondern leider legen sich oftmals Frauen gegenseitig Steine in den Weg. Seien dies kinderlose Frauen mit ihren Vorbehalten gegenüber jungen Müttern, Ältere versus Jüngere, solche die es «geschafft» haben, gegenüber «Aspirantinnen».
Beziehungen zwischen erfolgreichen Frauen und zielstrebigen Anwärterinnen sind leider allzu oft von Missgunst geprägt. Hierzu hören wir in unserer Beratungstätigkeit teils haarsträubende Müsterchen aus der Praxis, die den staunenden Zuhörer an frühere Gerangel in der Puppenecke des Kindergartens erinnern. Frauen sehen sich leider zu häufig als Konkurrentinnen anstatt als Partnerinnen und Verbündete.
Gemeinsinn statt Zickenkrieg und Rivalität im Dienste der gemeinsamen Sache ist der so lapidare, aber offenbar schwer zu erfüllende Wunsch der meisten Frauen aller Altersstufen. Es ist bedauerlich, wenn Frauen ob ihres Erfolgs beim Erklimmen ihrer Karriereleiter egoistisch verhärten und ihre Verantwortung gegenüber der nachfolgenden Generation vernachlässigen. Solidarität ist zweifelsohne unbürokratischer und gleichzeitig effizienter als die griffigsten Frauenquoten.
Familienfreundliche Arbeitsbedingungen
Die Schilderungen junger, berufstätiger Mütter über ihre tägliche Doppelbelastung und den Spagat zwischen Arbeitsleben und Nachwuchs ist teilweise ebenso erschöpfend wie die Erzählerinnen es selber zu sein scheinen. Bezüglich ihrer organisatorischen Fähigkeiten und Belastung gehörte jede Einzelne eigentlich zwingend ins Topmanagement einer jeden Unternehmung. Wie oft befinden sich gut ausgebildete und arbeitswillige junge Mütter in einem Dilemma zwischen der Fortsetzung der eigenen Karriere und dem Familienleben. «Entweder oder» ist oft die sture Ansage, mindestens 80 Prozent oder keine Chance auf einen Wiedereinstieg nach der Familienpause, so der kompromisslose Tenor auf Vorgesetztenseite. Notabene nicht selten von Chefinnen!
Es erstaunt, wie gering die Einsicht der Firmen bezüglich Know-how-Erhalt respektive -Verlust oft ist, wenn Frauen aus fehlendem Entgegenkommen der Arbeitgeber oder aus Gründen der Unvereinbarkeit zwischen Familie und Beruf die Konsequenzen ziehen. Erfreulicherweise berichten uns Frauen auch von aufgeschlossenen Arbeitgebern, die ihre Mitarbeiterinnen mit fortschrittlichen Arbeitsmodellen wie Job- Sharing, Teilzeit-Anstellungen mit variablen Pensen, flexiblen Arbeitsformen wie Home Office etc. entgegenkommen und sich so meist loyale und hochmotivierte Arbeitnehmerinnen erhalten.
Zeitgemässe Anstellungen
«Employer Branding» verkommt dann zu einem blossen Lippenbekenntnis, wenn es nicht mit Inhalt ausgestattet und ernsthaft in die Tat umgesetzt wird. Dabei wäre es für Firmen im Wettbewerb um Talente ein Leichtes, sich als Musterarbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt zu profilieren. Warum tun sie es dann nicht vermehrt? Vielleicht, weil Personalthemen nicht Chefsache sind. Männer und Frauen auf Entscheidungsebene sind gefordert, die nachhaltig zu Verhaltensänderungen im Umgang mit Kolleginnen beitragen wollen.
Abbau von Vorurteilen
Aus der Praxis wissen wir: Bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiterinnen werden Bewerbungen von Kandidatinnen teils schroff zurückgewiesen, weil sie aufgrund ihres jungen Alters einen potenziellen Risikofaktor für den Arbeitgeber darstellen. Ältere Frauen, notabene ab 45 Jahren, gelten aufgrund ihres Alters als unflexibel, sozial in aller Regel schwer verträglich und IT-verrostet. Altersunabhängig haben Frauen oft das Image, zu emotional zu sein und alles breit zu diskutieren, während die Wirtschaft Entscheide und keine Wohlfühlgruppen verlangt. Frauen, die aufgrund der Kinderbetreuung einige Jahre nicht gearbeitet haben, wissen nicht mehr, wie es in der heutigen Arbeitswelt zu und her geht. Dies einige Beispiele pauschalisierender Vorurteile, mit denen wir uns in unserer täglichen Beratertätigkeit schwer tun.
Frauen sind tendenziell weniger monetär gesteuert als Männer, sondern werteorientierter. Für sie zählen vor allem Inhalte wie ein gutes Team, ein fairer Vorgesetzter, die Identifikation mit dem Unternehmen oder eine überzeugende Firmenkultur. Frauen bringen Diversität im Denken und Handeln und sorgen bekanntermassen in gemischten Teams für bessere Resultate. Es braucht daher effektivere firmen- und brancheninterne Unterstützung für Frauen jeglicher Altersstufen, aber auch neue Unternehmenskulturen, die von fortschrittlich eingestellten und mutig denkenden Frauen mitgeprägt werden. Dabei sind ebenso die Arbeitnehmerinnen selber gefordert. Doch auch wir Personaldienstleister sind in der Pflicht, die Sache der Frauen mit fähigen Vorreiterinnen voranzutreiben und Entscheidungsträger beiden Geschlechts subtil herauszufordern, den Mut zur Anstellung von Frauen und zur Gestaltung fortschrittlicher Arbeitsbedingungen zu haben.
Frauen sollten einerseits keine Opfermentalität entwickeln, denn sie ist der Sache nicht förderlich. Anderseits müssen Frauen lernen, teamorientierter zu werden und das Miteinander stärker zu pflegen. In Zeiten des Fachkräftemangels, den Folgen der Masseneinwanderungsinitiative und der zu erwartenden demografischen Umwälzung geht es nicht mehr ohne gut ausgebildete Frauen. Deshalb ist ein Schulterschluss unter den weiblichen Arbeitskräften vonnöten. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist letztlich allerdings ganz klar auch ein Gesellschafts- und nicht nur ein Frauenthema.