Der März-Event in der Reihe unserer HR-Apéros stand unter dem Thema «Künstliche Intelligenz – mehr als nur ein Hype? ». Das Kurzreferat von Georg Lange bot der anwesenden HR-Community einen spannenden Exkurs zum kompletten Talent Life Cycle unter dem Blickwinkel der künstlichen Intelligenz.
Unser Gastreferent war für das Thema prädestiniert, deckt er doch als Experte für KI- und Insights Management wie auch als langjähriger HR-Leiter in renommierten Unternehmen beide Sichtweisen der Forschung und Praxis ab. Zurzeit leitet er ein Forschungsprojekt zum Employability Index in 4.0 Industries und ist Co-Autor eines Bestsellers über HR- Digitalisierung und regelmässiger Gastdozent an verschiedenen Universitäten und Hochschulen.
KI seit Queen Victoria
Auf die Frage, wie lange es KI schon gibt, kamen aus dem Publikum Antworten zwischen 20 und 70 Jahren. Tatsächlich war KI schon 1850 zu Zeiten Queen Victorias ein Begriff. In den 1950er-Jahren machte sich der Brite Alan Mathison Turing einen Namen als einer der einflussreichsten Theoretiker der frühen Computerentwicklung und Informatik. Nach ihm benannt sind u.a. der noch heute eingesetzte Turing-Test zur Überprüfung des Vorhandenseins von künstlicher Intelligenz.
Künstliche Intelligenz kurz erklärt
Künstliche Intelligenz ist ein mathematisches Modell, welches in der Lage ist, Tätigkeiten in immer gleicher Art und Qualität steuern zu können. Das Modell stellt dabei anfänglich nur die Steuermechanismen bereit, nicht jedoch, wie diese angewendet werden. Die Anwendung lernt das Modell durch Hinweise, wie es sich zu verhalten hat – entweder im Vorhinein durch ein Pre-Training, oder im Nachhinein – durch Feedback. Man kann sich das vorstellen, wie das Backen eines Kuchens: Das Rezept ist das Modell, das Pre-Training ist die Zubereitung und das Backen, das Probieren und Verbesserungsvorschläge machen sind das Feedback. Neueste KI-Systeme legen den Schwerpunkt auf das Feedback und wie sie dieses in ihr Modell integrieren können.
KI ist überall…
… ist aber nicht nur auf lustige kleine Roboter zu reduzieren, die das menschliche Wesen nie und nimmer duplizieren können. Hierzu fehlt ihnen ganz einfach die nötige Intelligenz, Empathie und Ausdrucksfähigkeit. Das Smartphone, unser täglicher, unverzichtbarer Begleiter, ist hingegen ohne KI nicht denkbar, denn es wäre ohne KI mit seiner geringen Grösse nicht bedienbar. Erstaunlich ist, dass die Kosten für KI auf dem Markt dank kostenfreier Datensammlung und geringfügigem Programmieraufwand respektive Erstellung von Algorithmen sehr gering ausfallen.
KI an der Schnittstelle zwischen Maschine und Mensch
Im HR gibt es derzeit keine Programme oder Systeme die auf KI basieren – egal, ob Anbieter von Personal- und Talentmanagement-Systeme dies versprechen. Der Grund liegt darin, dass es bislang im HR kein einziges System auf dem Markt gibt, welches verlässliches und rückwirkendes Feedback zum Lernen und zur Selbstverbesserung bei zukünftigen Ergebnissen benutzt.
KI ist darauf ausgerichtet, aussagekräftige, zukunftsbezogene Voraussagen zu machen. Die KI-Systeme haben sich in den vergangenen 70 Jahren sukzessive entwickelt und verbessert, was unser Referent mit praktischen Beispielen aus der Automobil- und Schuhindustrie veranschaulicht. KI hat lernt aus den eigenen Fehlern, was man vom Menschen nicht immer behaupten kann! Was bedeutet dies für das HR? Es steht vor der Herausforderung, den digitalen Wandel zu begleiten und die Schnittstelle zwischen Maschine und Mensch sicherzustellen. Viele heutige, von Menschenhand ausgeübte Tätigkeiten werden zukünftig entfallen und von Maschinen ausgeübt. Herr Lange ist der festen Überzeugung, dass alle Industrien gleichermassen davon betroffen sein werden.
KI in der Rekrutierung
Unser Referent hält es für durchaus möglich, dass Kandidaten durch den Einsatz von KI durch die Maschen des Selektionsprozesses fallen. Dieses Risiko kann beispielsweise reduziert werden, indem das KI-System den Kandidatenmarkt über eine gewisse Zeit nach spezifischen Kriterien durchforstet. Für Herrn Lange steht fest, dass uns Algorithmen, Systeme und Maschinen Resultate liefern, auf die wir Menschen mit unseren beschränkten Möglichkeiten niemals kommen würden. KI im HR macht als Vorarbeit der Kandidatenselektion dann Sinn, wenn darauf ein persönlicher Kontakt folgt. KI kann diesen niemals ersetzen, sondern ist eine Ergänzung.
Blick in die Zukunft
Unser Gastredner geht davon aus, dass das HR massiv im Umbruch begriffen ist. Ein mögliches Beispiel: Bei heute 70 gültigen Suchkritierien für eine zu besetzende Stelle werden in schon 5 Jahren die Hälfte dieser Begriffe obsolet sein. Die 35 entfallenen Begrifflichkeiten müssen folglich durch dieselbe Zahl mit neuen Eigenschaften ersetzt werden. Dieser «Skill Gap» ist die grösste aktuelle Baustelle in der Unternehmenswelt und bezieht sich auf den gesamten Talent Life Cycle im HR. Data Mining ist in diesem Zusammenhang ein interessantes Stichwort. Welches sind zukünftig die gesuchten Talente? Die Frage stellt sich nur schon bei der Halbwertzeit heutiger Anstellungen, wenn beispielsweise ein neuer Mitarbeiter erst drei Monate später die Stelle antritt und mindestens ein Jahr zur Einarbeit veranschlagt wird. Bis zum Zeitpunkt, wo er «flügge» wäre, sind möglicherweise seine Qualifikationen schon nicht mehr gefragt.
Was ist im HR zu tun?
Unser Gast empfiehlt als pragmatisches Vorgehen eine gezielte Annäherung an das interne Firmen-Marketing. Dieses eignet sich vorbildlich als einfallreiches, kostenbewusstes Vorbild für den Einsatz von KI im HR. Im selben Zusammenhang empfiehlt Herr Lange den Besuch des Forums des Big Data Spezialisten SAS im Kaufleuten Zürich am 11. April 2019. Den regen Austausch zwischen Fachexperten und Analytics-Spezialisten aus verschiedenen Branchen zu Digitalisierungsstrategien beurteilt er als hilfreich. Eine Übertragung dort entdeckter interessanter Tools und Methoden in die eigene HR-Praxis hält Herr Lange als gangbare Herangehensweise.
Unser Gast hält abschliessend fest, dass das HR auch zukünftig seine Berechtigung haben wird, was wir als optimistisches Votum in die Zukunft mitnehmen. Dank des Einsatzes von KI kann das HR von morgen sogar eine noch strategischere Position einnehmen. Danke, Herr Lange, für den hochspannenden Input!