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Das Schlagwort der Digitalisierung darf derzeit auf keiner Webseite, in keinem Artikel und auf keinem Event fehlen. Wer es trotzdem nicht nennt, hinterlässt den Eindruck des Gestrigen, der die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat – dies ist weder gut fürs Image noch fürs Geschäft.

Und dies will letztlich niemand. Gleichzeitig wird der Begriff Digitalisierung oft dahingehend missverstanden, dass es hauptsächlich darum gehe, die Prozesse in der IT abzubilden sowie eine moderne Webseite zu schaffen. Dies ist jedoch nur ein Teil des Ganzen.

Digitalisierung bedeutet einen Wechsel in der Art, wie wir miteinander umgehen, wie wir kommunizieren und welche Geschäftsmodelle wir in Zukunft betreiben. Damit verbunden ist der Einfluss auf die Art, wie wir in Zukunft arbeiten werden und welche Fähigkeiten dies von jedem einzelnen von uns verlangt. Die Profile vieler Stellen werden sich in naher Zukunft substantiell verändern. Dies fordert das HR massiv heraus, ist für dieses jedoch meines Erachtens DIE Chance. Indem das HR seine Rolle neu definiert, kann es zu einem Schlüsselpartner für die Geschäftsleitung und Linie werden. Dies verlangt jedoch nach neuen Wegen und in Teilen auch eine Rückbesinnung auf die Kernaufgabe des HR: das Gewinnen, Halten und Entwickeln von Mitarbeitenden. Vereinfacht gesagt ist alles andere «Beigemüse» und zu einem grossen Teil administrativer Art.

Wenn wir die grösseren Firmen betrachten, so dürfen wir feststellen, dass in den vergangenen 25 Jahren viele von ihnen denselben Trends gefolgt sind: Outsourcing, Verlagerung der HR-Administration in Schwellenländer, Prozessoptimierungen im Übermass etc. Insbesondere grössere Firmen scheinen einander wie Lemminge blind hinterher zu eifern. Mitarbeitende werden kurzerhand zu Kunden erklärt und ähnlich wie viele kommerzielle Kunden auf dem Markt, müssen sie «rentieren». Daher ist die Frustration innerhalb der Organisationen ebenso gestiegen wie auch seitens von Bewerbern, welche im Dialog mit den Firmen eine «Nicht-Existenz» von Kommunikation beklagen. Dies geht zu einem beachtlichen Teil mit der fortwährenden Automatisierung vieler nach innen und nach aussen gerichteter Prozesse einher, welche mit dem Hinweis auf eine erhöhte Professionalisierung erfolgen. Oftmals dürfte eigentlich nicht mehr von Kommunikation gesprochen werden, denn letztlich geht es um das Administrieren – oder zusammengefasst in der Aussage eines Head HR einer bekannten Firma: «… es machen alle dasselbe und bei keinem funktioniert es wirklich. Es wird immer unpersönlicher und widerspricht weitgehend dem H im Wort HR. Aber wer hat schon den Mut, gegen den Strom zu schwimmen!»

Weniger wäre eindeutig mehr! Anstatt sich in intellektueller Akrobatik mit immer fantasievolleren Projektnamen mit teils forcierten organisatorischen Inhalten auf neue Höhen zu schwingen, wäre in Teilen ein Zurück zu einem pragmatischen und auf die Bedürfnisse der Linie ausgerichteten HR sinnvoll. Dies als ein Teil eines auf seine Kernaufgaben fokussierten HR. Dafür erforderlich ist eine grössere Nähe zur Front und damit ein noch stärkeres Verstehen des Geschäfts und des Marktes sowie der damit einhergehenden Anforderungen an die HR-Abteilungen. Dieser Ansatz steht sicherlich im Widerspruch zu den oftmals existierenden Grossorganisationen, welche sich ohnehin immer mehr als «not manageable» erweisen. Hier hilft auch das zusehends grassierende Micromanagment vieler Führungskräfte nicht, denn es ist letztlich reine Symptombekämpfung – ein «vicious circle». Ein Aufbrechen solcher Palastorganisationen im Sinne des Schaffens von Zelt- oder Nomadenstrukturen, könnte zu einer erhöhten Flexibilität, Reaktionsgeschwindigkeit und Pragmatismus führen.In diesem Zusammenhang ist es wünschenswert, dass vermehrt Linienkräfte Einzug ins HR halten. Diesbezüglich gibt es positive Beispiele, wie einzelne renommierte börsenkotierte Firmen zeigen. Ein Linienmanager bringt eine völlig neue Perspektive ins HR, welche dazu führt, dass man sich fortan mehr an den wirklichen Bedürfnissen der Linie orientiert und klarere Schwerpunkte setzt. Damit verbunden ist die Forderung an die CEOs und somit das HR, vermehrt Generalisten einzustellen. Spezialisten machen in vielen Funktionen durchaus Sinn, auf der Führungsebene sind sie heute aber ganz klar zu dominant und mitverantwortlich für die organisatorischen Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre. Sie stehen auch in Teilen im Widerspruch zur immer wieder gehörten Forderung nach «mehr Unternehmertum» in Unternehmen.

Agilität von Mitarbeitern und damit von Organisationen wird in der Zukunft noch vermehrt zum Kriterium für das erfolgreiche Überleben von Firmen werden. Dies heisst nicht nur «Speed» als solches, sondern die Fähigkeit, auf die Veränderung im Markt zu reagieren. Auch hier helfen das Verstehen des Marktes und die Nähe zur Front wesentlich und unterstützen die Forderung nach mehr Praktikern/Linienverantwortlichen im HR. Ebenso ist die Freiheit und Fähigkeit zum Querdenken zu fördern, denn sie stellt sich dem «alle machen es so, also müssen wir es auch so machen» entgegen.

Die Kernaufgabe des HR in der Zukunft wird es verstärkt sein, «Perlen» für das Unternehmen zu finden und diese im Unternehmen zu halten. Auch hier sind der tägliche Kontakt zur Linie sowie eine erhöhte Kommunikation essentiell, denn nur dann werden Fehlentwicklungen rechtzeitig sicht- und spürbar. Dafür braucht es ein HR, das nicht primär administriert und wohlklingende Konzepte entwirft, sondern eines, das mehrheitlich an der Front ist und den Mitarbeitenden zuhört und mit ihnen spricht. Damit wären wir wieder beim «guten alten Personalchef». Ich bin mir bewusst, dass viele HR-Profis dies als Rückschritt bezeichnen werden. Für mich ist das HR der Zukunft für den Erfolg eines Unternehmens von grösster Bedeutung, denn wer die besten Mitarbeiter gewinnt und diese halten kann, wird mit grosser Wahrscheinlichkeit auch am Markt zu den Gewinnern zählen.