Scheitern garantiert: Neun Bewerbungstipps der anderen Art
Gute Ratschläge zum Thema Bewerbung gibt es zuhauf. Deshalb liefern wir hier als HR Insider ein paar miserable Tipps, mit denen Sie nicht nur einen unvergesslichen Eindruck hinterlassen, sondern garantiert durch jeden Bewerbungsprozess rasseln. Nachmachen nicht empfohlen.
By Sabine Biland-Weckherlin für HR Today, Januar 2024
Als Beraterinnen und Berater erleben wir so einiges. Auch die Steilvorlage für die folgenden «Bewerbungstipps» lieferte uns das echte Leben. Genauer gesagt, der Suchprozess nach einer Executive Assistant auf Stufe Unternehmensspitze. Alles, was wir in diesem Beitrag «empfehlen» – mag es Ihnen zu Recht noch so übertrieben scheinen – hat sich während dieser einen Suche in konzentrierter Form genau so zugetragen!
Und gerade, weil Stichwörter wie Diskretion, Organisation, Zuverlässigkeit, Kommunikation und Loyalität praktisch jeden Executive-Assistant-CV schmücken und zu den Schlüsselqualitäten dieses Berufs gehören, hat uns erschreckt, dass genau in diesen Bereichen so viel schiefgegangen ist.
Hier sind sie – unsere neun Tipps, die Sie garantiert in ein Bewerbungsfiasko führen.
1. Stichwort Sorgfalt: Bewerbung ohne Worte
Egal, ob Sie sich aus eigener Initiative auf die vakante Stelle bewerben oder über eine Empfehlung auf die freie Stelle aufmerksam gemacht wurden: Geben Sie sich bei der Bewerbung keine zu grosse Mühe. Machen Sie sich ruhig ein wenig rar. Schliesslich sitzen Sie ja heutzutage als Kandidatin oder Kandidat am längeren Hebel.
Senden Sie Ihren CV am besten kommentarlos an die zuständige Recruiting-Agentur. Bewerbungsschreiben? Ein überflüssiger Luxus, den Sie sich sparen können.
Ihre Zeugnisse reichen Sie selbstverständlich erst auf explizites Nachfragen ein. Es ist auch völlig nebensächlich, dass Sie wohl 20 Jahre lang mit demselben Vorgesetzten gearbeitet haben, von diesem aber kein einziges Zwischenzeugnis, geschweige denn ein Abschlusszeugnis besitzen. Auch, wenn Sie mit ihm Länder und Unternehmen gewechselt haben.
2. Stichwort Diskretion und Improvisationstalent: Der Video-Call als Bühne für Pannen
Manchmal finden Erstgespräche mit dem potentiellen Arbeitgeber als Video-Call statt. Das eröffnet eine ganze Palette neuer Möglichkeiten, es gründlich zu vermasseln.
Beispiel gefällig? Eine unserer Kandidatinnen und Kandidaten hatte kurzfristig keinen Raum zur Verfügung, in den sie sich für den Video-Call zurückziehen konnte. Anstatt uns dies mitzuteilen – selbstverständlich hätten wir ihr angeboten, einen unserer Räume zu nutzen – stand sie zur Verblüffung aller Beteiligten mit dem Handy in der Hand und Audio im Lautsprechermodus im Garten einer Wohnsiedlung. Wohlgemerkt ging es um eine Stelle, in der höchste Diskretion gefragt war. Ihr Bild schwankte schlimmer als jedes Schiff auf Hochsee, weshalb der Kunde – nach Anzeichen erster Schwindelgefühle – dringend um Verzicht der Kamera bat.
Sie wollen garantiert und noch im Gespräch eine Absage erhalten? Dann zeigen Sie Ihrem potentiellen Arbeitgeber auf diese Weise, dass Ihnen jegliches Gefühl für Diskretion fehlt und dass das mit dem Improvisationstalent ebenfalls eine leere Floskel war.
3. Stichwort Zuverlässigkeit und Organisation: Ignorieren Sie Telefontermine
Telefontermine sind ja eigentlich gar keine richtigen Termine. Wenn es gerade passt, dann passt es – ansonsten lassen Sie das Telefon einfach klingeln und ignorieren Sie den Anruf. Oder melden Sie sich 15 Minuten nach Beginn des Termins mit dem obersten HR-Chef, um Ihre Verspätung mitzuteilen. Wer will denn da schon so kleinlich sein? Oder zeigen Sie Ihre besonderen Organisationsfähigkeiten, indem Sie das Gespräch mit derselben Person wiederholt verpassen und dies am nächsten Tag damit begründen, Ihr Handy sei kaputt gewesen. Selber schuld, wenn er Ihretwegen seinen Lunchtermin abgesagt hat.
4. Stichwort Loyalität: Lästern Sie über frühere Arbeitgeber
Kommt es trotz allen Bemühungen zum Interview, gibt es auch hier noch genügend Möglichkeiten, es so richtig zu versieben. Zum Beispiel so: Beschreiben Sie Ihre aktuelle Position als «Boreout», plaudern Sie publikumsuntaugliche Internas aus und berichten Sie über die Charakterschwächen Ihres aktuellen Vorgesetzten. Was auch hilft: Begründen Sie die frappante Häufigkeit Ihrer Stellenwechsel, indem Sie sich konsequent als Opfer darstellen. Und verschweigen Sie bewusst, dass Ihr letzter Arbeitgeber Ihnen gekündigt hat.
5. Stichwort Transparenz: Lassen Sie sich nicht in die Karten schauen
Zeigen Sie bezüglich der ausgeschriebenen Stelle nicht zu viel Enthusiasmus – Sie haben ja nie behauptet, Sie würden sich ernsthaft dafür interessieren. Mit Ihrer Bewerbung bestätigen Sie im besten Fall Ihren Marktwert, nicht mehr und nicht weniger. Zu mehr Begeisterung sollten Sie sich nicht hinreissen lassen.
Ob Sie wirklich bereit sind für etwas Neues? Darüber haben Sie sich noch gar keine vertieften Gedanken gemacht. Vielleicht ist Ihr aktueller Arbeitgeber im Quervergleich ja doch nicht so schlecht, wie Sie dachten …
Geben Sie sich also zurückhaltend und kontrolliert. Holen Sie Ihr Pokerface aus Ihrer Verkleidungskiste und verraten Sie so wenig wie möglich über sich selbst. Falls Sie Interesse an der Stelle haben, verbergen Sie dieses geschickt. Und bloss keine Emotionen zeigen, sonst werden diese am Ende noch gegen Sie verwendet.
Es gilt auch explizit darauf zu verzichten, sich beim potentiellen Arbeitgeber für die Chance des Interviews zu bedanken. Oder, noch anbiedernder, Ihr Interesse an der Stelle zu betonen.
6. Stichwort Fairness: Verhandeln Sie häppchenweise mit der Salami-Taktik
Sagen Sie bloss nicht gerade heraus, was Sie sich vorstellen und wünschen. Teilen Sie Ihre Anforderungen in winzige Scheibchen auf, mit denen Sie nur langsam herausrücken.
Erst müssen Sie an einem Tag pro Woche früher Feierabend machen, dann an zwei Tagen, später erwähnen Sie, dass Sie ungern in der Rush Hour Zug fahren, dann teilen Sie mit, dass Sie Ihre aktuelle Stelle aufgrund der Abwesenheit Ihres jetzigen Vorgesetzten erst nächsten Monat kündigen können, und schliesslich haben Sie plötzlich ein Sabbatical im Sinn. Erst ganz zum Schluss erwähnen Sie, dass die genannte Gehaltsspanne nicht Ihren Vorstellungen entspricht. So geht Salami-Taktik.
7. Stichwort Vorbereitung: Bitte keine relevanten Fragen
Bereiten Sie am besten gar keine Fragen vor, um nur ja kein unnötiges Interesse an der ausgeschriebenen Stelle zu signalisieren. Sonst könnte man gar noch denken, Sie seien ernsthaft an der Position interessiert! Wenn Sie dennoch Fragen stellen, achten Sie darauf, dass diese entweder völlig irrelevant für die Position sind oder die Antworten darauf – wenn man sich dann vorbereitet hätte – auf der Firmen-Website zu finden gewesen wären. Wenn Ihnen gar nichts anderes in den Sinn kommt, erkundigen Sie sich nach den Hobbys Ihres zukünftigen Arbeitgebers.
8. Stichwort Begeisterungsfähigkeit: Die Kunst der emotionslosen Reaktion
Es passiert nicht oft. Ich selbst habe in 15 Jahren Recruiting nur ein einziges Mal miterlebt, dass einer Kandidatin oder einem Kandidaten bereits im Kennenlern-Gespräch die Stelle angeboten wurde. Wenn Ihnen das passiert, dann haben Sie entweder unsere Tipps nicht befolgt oder Sie besitzen Superkräfte.
Aber keine Angst. Sie können das Steuer noch herumreissen. Machen Sie es einfach so wie die Kandidatin in diesem Fall: Reagieren Sie auf ein solches Angebot des Firmen-Höchsten völlig emotions- und regungslos.
Lächeln Sie nicht und zeigen Sie keine Freude. Ganz so, als hätten Sie es gar nicht gehört. Verziehen Sie auch dann keine Miene, wenn sowohl der anwesende HR-Verantwortliche als auch die Beraterin ihre Überraschung über dieses erfreuliche, spontane Angebot kundtun. Es ist ja vermessen, anzunehmen, Sie seien ebenso positiv angetan wie die «Gegenseite»!
9. Stichwort Kommunikation: Melden Sie sich nie wieder
«Bitte melden Sie sich im Laufe des Tages XY mit einer Rückmeldung, ob Sie an der Stelle interessiert sind.» Dieser oder ein ähnlicher Satz fällt oft am Ende eines Vorstellungsgesprächs.
Das heisst für Sie: Lassen Sie Tag XY getrost verstreichen. Mit ein, zwei, drei Tagen Funkstille zeigen Sie uns, dass Sie das Gespräch gar nicht so toll fanden, wie wir vielleicht dachten … Wir werden natürlich auf Ihren Anruf oder Ihre Email warten, genauso wie Ihr potentieller zukünftiger Arbeitgeber. Früher oder später werden wir uns vielleicht fragen, ob Ihnen etwas zugestossen sei. Aber das ist ja nicht Ihr Problem.
Wenn wir Sie dann schliesslich anrufen, um nachzufragen, bringen Sie entweder eine fadenscheinige Ausrede vor, warum Sie sich nicht gemeldet haben, oder «ghosten» Sie uns einfach komplett, indem Sie keinen einzigen Anruf von uns mehr entgegennehmen. Damit wäre dann die Frage nach Ihrem Interesse an der Stelle auch geklärt.
Fazit: Nachahmung nicht empfohlen
Herzlichen Glückwunsch! Wenn Sie all diese Tipps befolgen, wird die Job-Absage bestimmt nicht auf sich warten lassen. Daher: Tun Sie es bitte nicht.
Selbstverständlich ist jede einzelne unserer Empfehlungen höchst ironisch gemeint. Und selbstverständlich sind die Beispiele, die uns den Stoff für diesen Beitrag geliefert haben, die Ausnahme. In 15 Jahren Tätigkeit als Rekrutierungsberaterin habe ich negative Erfahrungen in einer solchen Dichte noch nie erlebt; deshalb möchte ich Sie mit Ihnen teilen. Die gemachten Beobachtungen ändern nichts an der Tatsache, dass wir die meisten unserer Kandidaten und Kandidatinnen als engagiert, motiviert, zuverlässig und professionell erleben. Und selbstverständlich machen nicht nur Bewerbende Fehler, sondern auch Unternehmen. Auch darüber haben wir schon geschrieben. Mehrmals.
In jedem Fall hoffen wir, dass dieser humorvolle Blick auf mögliche Stolpersteine im Bewerbungsprozess Ihnen hilft, die wichtigen Dos und Don’ts im Kopf zu behalten.
Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei Ihrer nächsten Bewerbung.