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von Sabine Byland

480 Absagen pro Jahr – Was nun?

Für den 52-jährigen M. brach eine Welt zusammen, als er im Mai 2015 die Kündigung in die Hand gedrückt bekam. Seither ist er arbeitslos und alle Versuche, einen neuen Job zu finden, scheiterten. Im Februar dieses Jahres wurde er schliesslich ausgesteuert.

Derartige Geschichten sind heutzutage nicht selten und wer im Alter von +/- 50 Jahren die Stelle verliert, steht – trotz guter Ausbildung – tatsächlich vor der grossen Herausforderung, wieder eine Anstellung zu finden. Auch wir sind im Rahmen unserer Beratungstätigkeit ständig mit der Altersfrage bei Stellenbesetzungen konfrontiert und können bestätigen, dass über 50-Jährige stärker von der Langzeitarbeits-losigkeit betroffen sind als andere Altersgruppen. Vor allem aber dauert es durchschnittlich deutlich länger, wieder eine gleichwertige Stelle zu finden. Im Folgenden soll die Perspektive beider Seiten näher betrachtet werden.

Arbeitgeber – gefordert ist Offenheit und Umdenken gegenüber Stellensuchenden ab 50

Einerseits klagen Unternehmen lauthals über Fachkräftemangel, sind andererseits aber kaum bereit, Kandidaten fortgeschrittenen Alters überhaupt die Möglichkeit auf ein Vorstellungsgespräch einzuräumen. Klare Altersvorgaben werden bekanntgegeben und es besteht wenig Toleranz, diese nach oben oder auch nach unten zu verschieben. Ältere Arbeitnehmer gelten per se als zu teuer, zu wenig flexibel, nicht mehr belastbar und eine Reihe weiterer Vorbehalte. Dies zu verallgemeinern ist aber nicht nur diskriminierend, sondern hinzu kommt, dass die meisten Vorurteile gegenüber älteren Angestellten gemäss diversen dazu erstellten Studien aus der Luft gegriffen sind.

Das Rentenalter wird – so lauten zumindest die Prognosen – in den kommenden Jahren weiter angehoben werden, um die künftigen Rentenansprüche sicherstellen zu können. Dies scheint eine unausweichliche Realität zu sein. Damit diese Massnahme auch zum gewünschten Ergebnis führen wird, müssen ältere Stellensuchende (insbesondere ab 50) aber auch noch realistische Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Betrachtet man die heutige Haltung der Unternehmen gegenüber den über 50-Jährigen, so scheint dies eine Utopie zu sein. Gleichzeitig verbauen sich die Unternehmen den Zugang zu wertvoller Erfahrung. Dabei streitet niemand ab, dass die körperliche Belastbarkeit im Alter abnimmt und auch die geistige Agilität nicht vergleichbar mit einem 30-Jährigen ist. Dafür ist aber jede Menge Berufs- und Lebenserfahrung vorhanden, die so schnell nicht ersetzt werden kann. Schwierige Situationen im Arbeitsalltag können erfahrene Persönlichkeiten in der Regel souveräner handhaben als ihre noch unerfahrenen, jüngeren Arbeitskolleginnen und -kollegen. Diese Expertise kann Unternehmen viel Ärger und Kosten sparen, die die höheren BVG-Beiträge mehr als wettmachen. Randbemerkung: Wenn ein über 50-Jähriger ausgesteuert wird und sich beim Sozialamt melden muss, wird das für eine Gesellschaft auf lange Sicht erst recht unbezahlbar. Arbeitgeber müssen ein vernünftiges Verhältnis gegenüber älteren Angestellten entwickeln. Diese dürfen nicht von vorne herein aufgrund ihres Jahrgangs aus den Rekrutierungsprozessen ausgeschlossen werden. Zum Glück gibt es aber auch immer wieder Grund zur Hoffnung. Im letzten Jahr beispielsweise durften wir einige Mandate betreuen, ohne im Briefing bereits kategorische Altersgrenzen zu erhalten. Persönlichkeit und Berufserfahrung müssen künftig bei der Stellenbesetzung wieder ins Zentrum rücken.

Arbeitnehmer – Stellenverlust als Chance zur Neuorientierung nutzen

Nach einem Stellenverlust ist Raum für Wut, Traurigkeit und Enttäuschung absolut notwendig und erlaubt. Danach ist es aber ebenso wichtig, Eigenverantwortung zu übernehmen und so rasch wie möglich zu agieren. Es stellt sich die Frage: Was kann ich als Arbeitnehmer über 50 Jahre tun, um meine Chancen auf dem Stellenmarkt intakt zu halten? Nachfolgend ein paar Tipps und Erkenntnisse, die bei der Stellensuche helfen sollen:

  1. Konzentrieren Sie sich auf die Faktoren, die Sie beeinflussen können

Bewerben Sie sich nur für Jobs, für die Profile mit Ihren beruflichen Erfahrungen gesucht werden. In der Regel kommen folgende Vorgehensweisen zur Anwendung: Sie bewerben sich auf eine passende Stellenausschreibung und/oder Sie aktivieren Ihr Netzwerk. Zielführender ist aber meistens eine Kombination. Suchen Sie zudem nach Firmen, zu denen Sie passen könnten. Von Ihrer Berufserfahrung und auch Ihren Werten. Versuchen Sie, ob jemand aus Ihrem Netzwerk bei der Kontaktherstellung helfen könnte. Modernes Netzwerken bedeutet, dass man gezielt Informationen über eine Firma sammelt und persönliche Kontakte knüpft – zum Beispiel über Berufsverbände oder auch über Social-Media-Plattformen wie Linked­in oder Xing.

  1. Je schneller Sie handeln, umso besser sind Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt

Aktiv sein, bedeutet aber, nicht hektisch vorzugehen. Zudem sollte man vermeiden, breit über den Stellenverlust zu klagen und sich als Opfer darzustellen. Auch ist es wenig sinnvoll, sich auf jede Stelle zu bewerben und sich bei jedem Personalberater zu melden. Die Stellensuche ist ein Vollzeitjob, bei der es strukturiert vorzugehen gilt. Idealerweise führen Sie im Vorfeld eine Standortbestimmung durch – alleine oder begleitet. Nur wenn Sie wissen, wer Sie sind, in welche Richtung Sie sich beruflich bewegen wollen und was Sie einem künftigen Arbeitgeber bieten können, treten Sie auch überzeugend in einem Interview auf.

  1. Nehmen Sie kleinere Jobs an

Zwischenverdienste tun der verwundeten Seele gut und haben den angenehmen Neben­effekt, dass man halbwegs im Arbeitsleben bleibt und länger stempeln gehen kann. Auch Freiwilligenarbeit kann helfen, um diese schwierige Phase der Stellensuche sinnvoll und strukturiert auszufüllen.

  1. Prüfen Sie die Möglichkeit der Selbständigkeit

Gerade Menschen über 50 Jahre verfügen über eine grosse Berufs- und Lebenserfahrung sowie in der Regel über fundierte Expertise. Der Weg in die Selbständigkeit könnte durchaus eine Alternative sein. Wer sich diesen Schritt nicht alleine zutraut, kann sich auf die Suche nach Gleichgesinnten machen, die vor der gleichen Herausforderung stehen.

  1. Bleiben Sie hartnäckig dran und verlieren Sie den Glauben an sich selbst und Ihre Fähigkeiten nicht

Für die Frau, die 480 Bewerbungen geschrieben hat, klingt das reichlich realitätsfremd. Trotz vieler Absagen, dürfen Sie die Hoffnung aber nicht verlieren und müssen immer wieder „aufstehen“. Wenn Sie Nachricht auf eine Stellenbewerbung erhalten, öffnen Sie diese nur, wenn Sie in diesem Moment auch einen negativen Bescheid gut verkraften können. Wichtig ist es, sich nicht entmutigen zu lassen und Geduld bewahren.

  1. Verschliessen Sie sich nicht gegenüber Neuem

Interesse und Neugier zeigen an der Zusammenarbeit mit jungen Kollegen, den Austausch mit diesen suchen und von ihnen lernen, erhält einen jung. Ebenso ist es bereichernd, das eigene Wissen weiterzugeben.

  1. Geteiltes Leid ist halbes Leid

Auch wenn es nur ein schwacher Trost ist: Sie sind nicht alleine mit Ihrer Ausgangslage. Dies kann gegenüber Stellensuchenden über 50 immer wieder nur betont werden. Ausbildungsunabhängig ergeht es vielen genau gleich wie Ihnen und alle kämpfen mit denselben „Ups and Downs“.

  1. Investieren Sie in gezielte Weiterbildung

Grössere Chancen auf dem Stellenmarkt hat heute, wer sich immer wieder hinterfragt, ob sein Berufsprofil auch künftig noch gefragt ist und welches Wissen in der Zukunft von Bedeutung in seiner Berufssparte werden könnte. Sich gezielt weiterzubilden und nicht still zu stehen, ist ein wichtiger Erfolgsfaktor, um seine Stelle erst gar nicht zu verlieren, darüber hinaus aber auch hilfreich bei der Stellensuche.

Fazit

Es kann nicht sein, dass die über 50-Jährigen als lukrative Kunden heiss umworben werden, aber sobald sie den Job verlieren, auf dem beruflichen Abstellgleis landen. Diesbezüglich muss in den Köpfen der Unternehmen und ihrer HR-Verantwortlichen noch ein grosser Umdenkprozess stattfinden. Gleichzeitig sollten aber auch Anreize für die Unternehmen geschaffen werden, vermehrt ältere Stellensuchende einzustellen. Firmen, die überdurchschnitt­lich viele über 50-jährige Arbeitnehmer beschäftigen, könnten beispielweise dafür finanziell „belohnt“ werden. Am Ende würde dies der gesamten Gesellschaft nutzen und ein bedeutendes Zukunftsproblem lösen.