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Braucht es Frauenquoten? Vielleicht. Sind sie die Lösung? Sicher nicht.

Weg, welcher sich in zwei Richtungen aufspaltet.

By Sabine Biland-Weckherlin für HR Today, August 2021

Wir schreiben das Jahr 2021 und in vielen Unternehmen gibt es immer noch keine gelebte Gleichstellung. Quoten können Bewegung in die Sache bringen. Wenn sie aber zur Alibi-Übung verkommen, birgt das grosse Gefahr. Was es am meisten braucht auf dem Weg zur Gleichstellung, ist eine grundsätzliche Veränderung in den Köpfen der Menschen. Und diese lässt sich nicht mit politischen Vorgaben erzwingen.

Seit Januar 2021 sind die politisch verordneten Geschlechterrichtwerte für Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen grosser Unternehmen in Kraft. Sie fordern von börsenkotierten Aktiengesellschaften mit mehr als 250 Mitarbeitenden eine weibliche Vertretung von 20 Prozent für Geschäftsleitungen und von 30 Prozent für Verwaltungsräte. Die Regelung betrifft in der Schweiz rund 200 Unternehmen und soll «der verfassungsmässigen Pflicht zur Gleichstellung von Frau und Mann Rechnung tragen».

Eine Frauenquote kann sinnvoll sein …

Ist eine Frauenquote sinnvoll? Nein, finden unisono all jene Personen, mit denen ich über diese Frage gesprochen habe – die meisten davon Frauen. Ich selbst meine: Vielleicht. Aber wenn, dann nur als temporäre Lösung und als eine Massnahme von vielen. Um Bewegung in die alteingesessenen maskulinen Strukturen zu bringen, in denen Männer im oberen Management unverändert andere Männer fördern und Frauen kein Gehör finden. Und um das öffentliche Bewusstsein für die Untervertretung von Kaderfrauen zu wecken.

Löst eine Frauenquote das Problem? Ganz sicher nicht. Eine solche Regelung allein ändert noch gar nichts, weil sie in die falsche Richtung zielt: Wer will sich schon als «Quotenfrau» in einer Männerdomäne vorführen lassen? Für echte Veränderung braucht es weitere, griffigere Massnahmen.

… aber birgt auch Gefahren

Wird die Frauenquote nur umgesetzt, «weil man muss», dann bringt sie mehr Schaden als Nutzen. Eine «Quotenfrau» zu sein, ist eine undankbare Rolle. Denn möchten wir nicht alle für unsere individuellen Fähigkeiten eigestellt, geschätzt und gefördert werden? Wo eine Frau per Dekret als weibliche Führungsperson in die Geschäftsleitung gelangt, hat sie einen schwierigen Stand. Ihre Leistungen werden kritischer geprüft und sie muss sich doppelt beweisen – und schon sind wir wieder bei einem altbekannten Problem von Frauen in männerdominierten Bereichen.

Eine solche «Vorzugsbehandlung» verkennt auch, dass es viele echte gute Gründe gibt, eine Kaderfrau einzustellen: Weil sie die passende Teamergänzung darstellt, weil sie die richtigen fachlichen und zwischenmenschlichen Kompetenzen mitbringt und weil männliche Entscheidungsträger endlich verinnerlicht haben, dass heterogene Teams eine Menge an Vorzügen fürs Unternehmen bringen.

Ausserdem darf eine Frauenquote nicht dazu führen, dass auf moderne Weise mit ungleichen Ellen gemessen wird. Frauen müssen im Einstellungsprozess oder bei der Beförderung genauso sorgfältig geprüft und objektiv ausgewählt werden wie Männer. Sonst haben wir in Kürze eine Diskussion über die Diskriminierung von Männern, wie wir das bei manchen Stellen heute schon beobachten.

Nachhaltige Lösungsansätze sind gefragt

Die Strukturen in unserer Wirtschaft und Gesellschaft haben sich über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, geformt. Sie wurden gehegt und gepflegt von denjenigen, die davon profitierten. Sie wurde aber auch gelebt und gefestigt von anderen Beteiligten – unabhängig von ihrem Geschlecht. Sie werden noch immer festgehalten von all jenen, die ihre Privilegien durch eine Veränderung bedroht sehen.

Bei so vielen wirkenden Kräften ist es kein Wunder, dass die Veränderung nur langsam vorangeht. Und deshalb ist es auch wichtig, dass wir verschiedene Massnahmen ergreifen, um sie voranzutreiben. Hier sind ein paar Ideen:

Es muss uns bewusst sein, dass die erste Frau in einem jahrelang von Männern besetzten Verwaltungsrat möglicherweise nicht unbedingt freundliches Terrain betritt. Vor allem, wenn das per Quote geschieht. Deshalb halte ich es für wichtig, dass das Management diese Pionierinnen auch langfristig unterstützt und eine bestmögliche Akzeptanz für sie schafft.

Dies geschieht unter anderem auch durch Fairness und gleiche Massstäbe in der Selektion und Beförderung. Bezogen auf das Recruiting bedeutet das: Die beste Person soll die Stelle bekommen, unabhängig von ihrem Geschlecht – mal eine Frau, mal ein Mann. Entscheide müssen nachvollziehbar sein. Das Geschlecht sollte nur das Zünglein auf der Waage sein zwischen zwei gleichwertigen Bewerbenden. So handhabte das beispielsweise ein Zürcher Kulturinstitut, das in seiner Ausschreibung für die Suche einer neuen Leitung transparent machte, dass «bei zwei gleichwertigen KandidatInnen eine Frau bevorzugt» werde.

Einer unserer börsenkotierten Kunden in der Maschinenindustrie macht sehr gute Erfahrungen mit der internen Förderung weiblicher Nachwuchstalente. Er praktiziert dies – geschlechterunabhängig, aber mit besonderem Fokus auf Frauen – seit Jahren konsequent und mit beeindruckendem Erfolg. Die so geförderten Praktikantinnen erfahren die besten Chancen auf gleichwertige Akzeptanz und langfristige Integration in einem männlich geprägten Umfeld.

Aufklärung und familienfreundliche Strukturen

Als Basis für Gleichstellung braucht es in Unternehmen moderne Strukturen, welche die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen und unterstützen – Stichwort Teilzeitarbeit, Jobsharing, Topsharing. Haben sich diese Vorzüge im Sinne des Employer Branding einmal herumgesprochen, werden sich automatisch die besten Frauen bewerben. Und selbstverständlich sollten diese Strukturen für alle Geschlechter gelten. Denn nur so haben wir eine Chance, irgendwann echte Gleichstellung zu erreichen.

Wie stehen Sie zum Thema Frauenquoten? Und was ist für Sie der momentan beste Lösungsansatz?

Lassen Sie es uns wissen mit einem Kommentar.