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Die Schweiz ist ein demokratisches Land. In Bezug auf die digitale Transformation geniessen die Staatsangehörigen jedoch nur beschränktes Wahlrecht. An ihr führt kein Weg vorbei. Auch nicht im Berufsalltag. Exakt diese Erfahrung machte ich beim Verfassen meiner Seminararbeit zur Thematik «mittelfristige Anforderungen der Personalverantwortlichen». Gelernt habe ich, was digital sein bedeutet und wie die Zukunft im Personalwesen aussehen könnte.

Als das letzte Wort meiner wissenschaftlichen Arbeit zum Thema «mittelfristige Anforderungen der Personalverantwortlichen» geschrieben war, lag ein langwieriger Prozess hinter mir. Angefangen hatte alles mit einer Idee. Als langjähriger Personalberater sind die Entwicklungen im Personalwesen nicht spurlos an mir vorübergegangen. Analoge Inserate in Zeitungen haben sich in digitale Stellenausschreibungen auf Online-Jobplattformen verwandelt. Mit Fleiss gebastelte und von Hand geschriebene Bewerberdossiers wurden durch E-Mails mit angehängtem CV und elektronischem Motivationsschreiben ersetzt. Doch bis vor Kurzem blieb der Prozess unverändert: Ich suche eine Stelle – ich finde eine Stelle – ich bewerbe mich und hoffe.

Die Veränderung liegt in der Luft

Seit rund fünf Jahren hat sich aus meiner Sicht etwas Grundlegendes verändert: Die digitale Transformation hat sich vertieft in unser Leben eingeschlichen. In der Kaffeepause mit den Teamkollegen sind Roboter ein Thema. Blockchain wird von vielen ausgesprochen und von wenigen verstanden. Neue Jobprofile erobern den Markt. Traditionelle Berufe werden von der technologischen Innovation verschlungen und der Bewerbungsprozess ist im Wandel. Nicht mehr die Stellensuchenden suchen, nein, sie werden gefunden. Active Sourcing, zu Deutsch Direktsuche, ist das Zauberwort der Stunde. Personalverantwortliche grasen die beruflichen Social Networks wie LinkedIn & Co. ab mit der Hoffnung, das richtige Talent der Zukunft zu finden. Im Vorstellungsgespräch ruht die Hoffnung nicht mehr einseitig auf der bewerbenden Person. Auch das HR-Management auf der anderen Seite des Tisches bangt. Verkaufen wir uns gut genug und werden wir den Ansprüchen gerecht? In den internen Strukturen purzeln die Hierarchien. Vorgesetzte werden zu Arbeitenden und Arbeitende zu CEO für einen Tag. Transparente Löhne, Remote Offices und flexible Arbeitszeiten sind Diskussionsthemen.

Die digitale Fiktion steht am Anfang einer neuen analogen Realität

Diese Wahrnehmung war Ausgangspunkt meiner persönlichen Forschung. In der Literaturrecherche (selbstverständlich über digitale Plattformen) fand ich erste Antworten. Eine fachkundige Studie stammt von der Universität Bamberg. Seit 2002 erarbeitet das Team um Prof. Dr. Tim Weitzel eine Studienreihe zum Thema «Recruiting Trends». Aus der Analyse wird rasch klar: Das Karussell dreht sich und es dreht sich immer schneller. Digitale Technologien sind dabei, den Arbeitsmarkt aufzumischen, wie es zuvor vielleicht nur die Industrialisierung im 19. und 20. Jahrhundert vermochte. Wie kann eine Fiktion, welche physisch gar nicht existiert, den Markt derart beeinflussen?  Schenken wir den Gedanken des deutschen Soziologen Armin Nassehi Glauben, so ist die Digitalisierung im Wesentlichen die «Verdopplung der Welt in Datenform». Alles wird erfasst und gemessen. Erst kürzlich hat der Wissenschaftler diesem Thema ein Buch gewidmet. Im Gespräch mit SRF erklärt er, dass «Big Data» und Künstliche Intelligenz (KI) notwendig seien, um die vorhandenen Muster sichtbar zu machen. Die Erfindung der Schrift und Einzug der Literatur war somit die erste Fiktion, welche mit der echten Welt in einer Beziehung korrelierte. Die digitale Transformation ist demnach nichts anderes als ein zweites fiktives Band, welches sich um unseren Erdball spannt und die Gegebenheiten unserer Welt abbildet. Dies ermöglicht uns eine nie zuvor dagewesene Geschwindigkeit und Effektivität. Zurück bleibt die analoge und staunende Arbeitskraft mit offenem Mund.

Die Zukunft interpretieren und flexibel bleiben

Die Trends, welche sich in meiner Arbeit abgezeichnet haben, sind vielseitig und oftmals gesamtheitlich. Sie sind digital, analog oder in Mischformen zu finden und reichen von der Globalisierung über den demografischen Wandel bis hin zum digitalen E-Recruiting. Begriffe wie Social Recruiting und Google for Jobs geistern derzeit in der Personalwelt herum. Rasch wird klar, dass der digitale Dschungel seinem Namen gerecht wird. Wer sich zurechtfinden möchte, muss sich den Weg mit einer Machete freikämpfen oder auf den höchsten Baum klettern. Auch ich habe mich als Indiana Jones der Neuzeit versucht und Annahmen für die Zukunft abgeleitet (wer mehr wissen will, darf mich gerne ungeniert kontaktieren). Der Begriff «Annahmen» ist aus meiner Sicht die korrekte Bezeichnung, weil niemand weiss, welche Trends sich durchsetzen und etablieren werden. Zu breit ist die Entwicklung abgestützt, zu viele Faktoren mischen mit – auch politische und globale. Womit wir leben müssen aus meiner Sicht, sind Maschinen, Algorithmen & Co., welche einfache Abläufe verstärkt automatisieren. Somit wird sich die menschliche Arbeit vermehrt auf beratende Tätigkeiten verschieben. Dies würde bedeuten, dass wir grundsätzlich anspruchsvollere und spannendere Aufgaben übernehmen dürften. Entscheidend ist hierfür die Flexibilität eines jeden Einzelnen und das Interesse an der eigenen, persönlichen Entwicklung. Firmen sollten sich zwingend mit dem Thema Umschulung auseinandersetzen, möchten sie in naher Zukunft nicht Massenentlassungen durchführen müssen.

Werden wir durch Maschinen ersetzt?

Angst ist bekanntlich ein schlechter Berater, auch in der aktuellen Situation. Die Geschichte zeigt, dass der Mensch äusserst anpassungsfähig und zäh ist. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir die Zukunft selbst gestalten und mitentscheiden, was sich am Ende des Tages durchsetzen wird. Deshalb gilt es trotz Chaos nicht die Nerven zu verlieren und mit Weitblick zu agieren. Ein humanes Fazit kann ich meiner Seminararbeit abgewinnen: Die Persönlichkeit wird entscheidend bleiben, nicht nur im Personalwesen. Der Zug der Zukunft ist ins Rollen geraten. Im Führerstand sitzt noch immer der Mensch.