Kandidaten berichten uns Haarsträubendes über die Art und Weise, wie Unternehmen Jobabsagen erteilen. Wer nach persönlichen Gesprächen Standardabsagen verschickt oder Bewerbende «ghostet», verpasst nicht nur eine Chance für Employer Branding. Er verhält sich auch unfair und stillos. Und das kann dem Firmenimage schaden.
Seriöse Kandidatinnen und Kandidaten investieren Zeit und Herzblut in ihr Motivationsschreiben. Sie beziffern den durchschnittlichen Aufwand mit locker zwei bis drei Stunden pro Stelle. Seriöse Arbeitgeber sollten ein Interesse daran haben, diesen Effort zu würdigen – mit einem professionellen Absagemanagement.
Absagen bergen Chancen und Risiken für die Arbeitgebermarke. Auch wenn es für jede freie Stelle meist nur einen Gewinner gibt, so sind die qualifizierten, leer ausgegangenen Mitbewerbenden oft ein unbezahlbarer Fundus für den Talentpool der Firma. Und selbst wenn nicht: Kandidaten sind potentielle Kunden oder kennen potentielle Kunden und teilen ihre Erfahrungen mit ihrem Umfeld.
Bitte keine Standardabsagen nach dem persönlichen Gespräch
Natürlich ist es unrealistisch, für jede Absage eine detaillierte Begründung zu verfassen. Doch es zeugt von schlechtem Stil, wenn Arbeitgeber nach einem persönlichen Vorstellungsgespräch Standardabsagen per Mail verschicken – oder überhaupt nichts mehr von sich hören lassen. Denn nicht nur aus Eigennutz hinsichtlich Employer Branding ist die Kommunikation im Bewerbungsprozess zentral – sondern auch aus Fairness.
Noch viel peinlicher die Erfahrung jenes Kandidaten, der viermal beim CEO eines potentiellen neuen Arbeitgebers vorstellig werden musste – inklusive Case-Präsentation –, um an einem Freitagabend von der Assistentin eine Absage auf den Anrufbeantworter zu erhalten. Die offizielle Begründung: Die Firma wolle die Stelle mit einer Frau besetzen.
Eine andere Kandidatin berichtet davon, dass ein Arbeitgeber sie auf LinkedIn persönlich aufgefordert hatte, sich zu bewerben. Mit dem Resultat, dass ihre Bewerbung und ihre Versuche zur Kontaktaufnahme bis heute unbeantwortet blieben.
Ghosting ist schlimmer als jede Absage
Laut Wikipedia bedeutet Ghosting «einen vollständigen Kontakt- und Kommunikationsabbruch in einer zwischenmenschlichen Beziehung ohne Ankündigung». Wir hören von erschreckenden 60 Prozent aller Firmen, die auf eine schriftliche Bewerbung keinerlei Antwort geben – abgesehen von einer automatisierten Empfangsbestätigung. Und Ghosting – darüber sind sich Kandidaten einig – ist schlimmer als jede Absage.
Besonders stossend ist die Funkstille bei prekären Kandidatengruppen im derzeit angespannten Arbeitsmarkt. So ist in der NZZ vom 7. Oktober 2020 von stellensuchenden Jugendlichen zu lesen, die angeben, dass «die meisten [Firmen] sich [auf die Bewerbung] nie gemeldet oder eine Standardantwort geschickt haben».
Funkstille lässt Kandidaten abspringen
Alle wünschen sich eine zeitnahe Rückmeldung – und beklagen die lange Zeitdauer im Bewerbungsmanagement. Dabei ist die Zeitwahrnehmung auf Kandidaten- und HR-Seite gänzlich unterschiedlich: Zwei Wochen können je nach Sichtweise eine halbe Ewigkeit darstellen oder im Nu verflogen sein.
Wie rasch ein Arbeitgeber Rückmeldung gibt, sagt viel über seine Fairness aus. Falls eine zeitnahe Antwort aufgrund interner Gründe nicht möglich ist, schätzen Kandidaten eine proaktive Information mit der Bitte um etwas Geduld. Ansonsten ist eine lange Funkstille meist ein unmissverständliches Indiz einer drohenden Absage. Und wenn nicht, ist der Wunschkandidat möglicherweise schon bei einem schnelleren Arbeitgeber untergekommen.
Wir begrüssen es übrigens, wenn Kandidatinnen und Kandidaten mutig zum Hörer greifen und sich nach dem Stand der Dinge oder nach dem Absagegrund erkundigen. Wenn sie dann unwirsch oder schnoddrig behandelt werden, spricht das überhaupt nicht fürs Unternehmen am anderen Ende der Leitung.
Vielmehr gehört es zum guten Ton, Fragen seriös zu beantworten und sich die nötige Zeit dafür zu nehmen. Es ist bei uns so sogar schon zu einer Stellenbesetzung gekommen mit einer Kandidatin, der wir bereits abgesagt hatten – weil sie sich proaktiv bei uns meldete und es verstand, die Absagegründe zu relativieren.
«Sehr geehrter Bewerber …»
Absagen sind in aller Regel belanglos und allgemein gehalten, um möglichst keine Angriffsfläche nach aussen zu bilden. «Kandidaten, die dem gesuchten Profil besser entsprechen» sind für HR die einfachste Antwort, weil sie politisch korrekt ist. Sie zeugt aber nicht von einer ausführlichen, wertschätzenden Auseinandersetzung mit dem eingereichten Dossier, sondern kommt auf der Empfängerseite als «billiges Abspeisen» an. Floskeln wie «nach eingehender Prüfung Ihrer Unterlagen» helfen da wenig – vor allem, wenn sie postwendend nach dem Einreichen des Bewerbungsdossiers zurückkommen. Ein solches Vorgehen lässt auf eine deutliche Diskrepanz zu den propagierten, menschenorientierten Werten auf manch einer Firmenwebsite schliessen.
Auch standardisierte Anreden wie «Liebe/r Hans Muster» oder «Sehr geehrter Bewerber» kommen nicht gut an. Einer unserer Kandidaten berichtet von einer Empfangsbestätigung mit dem Wortlaut: «Wenn Sie innerhalb von vier Wochen nichts von uns hören, bedeutet dies eine Absage.» Eine solche Kommunikation lässt wenig schmeichelhafte Rückschlüsse auf die Unternehmenskultur zu.
Wertschätzung und dosierte Ehrlichkeit
Zugegeben: Auch wir als Berater halten uns an unverfängliche Absagebegründungen, versehen mit Bedauern, Ermunterung und guten Wünschen für die weitere Stellensuche. In jedem Fall stehen wir jedoch für das persönliche und ehrliche Gespräch bereit. Eine Patentlösung scheint es nicht zu geben. Eine Absage ist immer enttäuschend. Doch ein Mix aus Wertschätzung und dosierter Ehrlichkeit scheint ein guter Ansatz zu sein.
Kandidatinnen und Kandidaten können meiner Erfahrung nach meist besser mit der Wahrheit umgehen, als wir denken. Sie wünschen sich eine transparente Information über den Stand des Bewerbungsprozesses und konstruktive Hinweise zu den Absagegründen – auch wenn es unangenehm ist. Dies bringt sie persönlich weiter, weil sie erfahren, was sie nächstes Mal verbessern können.
Doch wieviel diplomatische Ehrlichkeit liegt drin? Klar ist, dass eine Absage weder die Persönlichkeit verletzen noch diskriminierend sein darf. Doch was ist mit weichen Faktoren? Was, wenn die Bewerbung auf dem Papier alle Anforderungen erfüllt – aber beispielsweise kein Herzblut für die Stelle zu spüren ist? Ist das wirklich ein Absagegrund, den man nennen darf? Der Zwiespalt ist ungelöst – am wichtigsten bleibt eine zeitgerechte, faire Antwort mit einem Gesprächsangebot.
Für einen unserer Kunden ist es selbstverständlich, leer ausgegangenen Kandidaten nach erfolgtem Interview Respekt zu zollen. Er tut dies mit einem persönlichen Mail, in dem er sich für das Gespräch bedankt, hervorhebt, was er an der oder dem Bewerbenden besonders geschätzt hat, und sich für Fragen zur Verfügung stellt. Ein anderer mit «….. Bitte betrachten Sie diese Mitteilung nicht als Wertung Ihrer persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten. Für Ihre berufliche und persönliche Zukunft wünschen wir Ihnen alles Gute und hoffen, dass sich Ihre Berufsvorstellungen bald realisieren lassen. Oder mit dieser sympathischen Formulierung «Für Ihre Zeit, welche Sie sich mit Ihrer Bewerbung genommen haben, bedanken wir uns ausdrücklich bei Ihnen. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg bei der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung.» Selbstredend gibt es auch zahlreiche weitere positive Beispiele von Firmen, die als Wunscharbeitgeber zurecht alle Trümpfe in der Hand haben.