Zum ersten Mal treffen sich die Gäste unserer traditionellen HR-Apéro-Reihe über eine Internet-Plattform – Corona sei Dank! Mittendrin unser Gastredner Christoph Jordi von der Unternehmensberatung DoDifferent. Im Fokus: die Personalrekrutierung 2030. Das Thema fasziniert die teilnehmenden HR-Spezialisten, polarisiert und doch lässt sich final ein gemeinsames Fazit ableiten.
Am Donnerstag, 24. September 2020 um 17.00h begrüssen wir die Teilnehmenden unseres HR-Apéros online. Rückblende: Ein Monat zuvor treffen wir Christoph Jordi von DoDifferent, unseren Gastreferenten. Für uns ist von Anfang an klar: Wir wollen den Anlass trotz Ausnahmesituation durchführen. Als Beratungsboutique in der Rekrutierung sind der Austausch mit HR-Experten und das Diskutieren von aktuellen Trends ein wichtiger Bestandteil unserer Aufgabe. Im Zentrum steht die Frage des Formats. Die ausserordentliche Lage zwingt uns zum Handeln. Rasch ist klar, virtuell muss es sein. Und wir haben Glück. Christoph Jordi und seine Unternehmensberatung sind Vorreiter auf dem Gebiet. Die Entscheidung ist gefallen, es gibt kein Zurück.
Und wie geht das nochmals?
Was es zu beachten gilt: Ein virtueller Anlass verlangt nach einer alternativen Vorbereitung. Teilnehmende drohen rascher abzuspringen, die Präsentation kann schneller versanden. Die Gäste sollen bei der Stange gehalten werden. Essentiell sind die interaktive Beteiligung und das Vermeiden von langatmigen Monologen. Workshops bieten sich daher ideal an. Dabei muss die Welt nicht neu erfunden werden, aber gutes Kopieren will gelernt sein. Eine heikle Geschichte ist die IT-Infrastruktur. Anders als bei physischen Anlässen geht ohne stabile Verbindung und Online-Plattform nichts. Wir nehmen es vorweg: Alles hat einwandfrei funktioniert, auch dank der wertvollen Unterstützung von Nicole Bischof, Kommunikations- und Projekt-Verantwortliche bei DoDifferent. Die Gespräche waren erfrischend und im Gegensatz zum traditionellen Event-Format entpuppte sich der eine oder andere Patzer als sympathischer Fauxpas.
VUCA
Das Thema «Personalrekrutierung 2030» hat es in sich und ist bewusst gewählt. Die voranschreitende Digitalisierung ist vermutlich die einflussreichste Veränderung seit Menschen für Arbeit rekrutiert werden. Wir befinden uns in einem Strukturwandel, nicht erst seit, aber auch durch Corona. Der Virus, so traurig wirtschaftliche und gesundheitliche Schicksale sind, zeigt Chancen auf. Digital sein funktioniert, solange der Mensch nicht vergessen wird. VUCA – ein Akronym für die englischen Begriffe: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit – beschreibt die herausfordernden Bedingungen, mit welchen die Arbeitswelt heute konfrontiert ist. Eine Lösung kann aus dem gleichen Wort abgeleitet werden: VISION, UNDERSTANDING, CLARITY und AGILITY.
Am Anfang stehen sechs Thesen
Um die Diskussion auf die gewünschte Temperatur zu bringen, präsentiert Christoph Jordi an diesem Abend sechs Thesen.
- Vom Arbeitnehmer zum Arbeitsabo
Mitarbeitende stellen sich ihre Arbeitswelt selber zusammen. Aufträge werden auf Arbeitsplattformen – eine Art AirBn’B für Jobs – gepostet und vergeben (Gig-Economy). Arbeitgeber werden zu offenen Kollaborationsplattformen. Der Arbeitnehmer loggt seine Talente ein und wird so Teil einer Kollaborations-Community.
- Roboter rekrutieren besser
Künstliche Intelligenz (KI) rekrutiert besser, unabhängiger und vorurteilsloser als jeder Mensch. Unter dem Stichwort «Roboter Recruiting» findet die Personalrekrutierung fast nur noch online statt. KI ist soweit, dass die Rekrutierung komplett neutral von einem Roboter ausgeführt wird, was die Diversität automatisch begünstigt und die Wahrscheinlichkeit einer Fehlrekrutierung enorm reduziert.
- Erlebnis Recruiting
Der Kontakt von Mensch zu Mensch wir in der Rekrutierung noch wichtiger. Trotz KI wird analog ganz zur hohen Kunst. Im Fokus steht der Match zwischen der individuellen Persönlichkeit und der Kultur des Unternehmens. Mit Blick auf den Fachkräftemangel konkurrieren sich Unternehmen in der Gestaltung von analogen Erlebniswelten für die Kandidaten und überbieten sich, darin die eigene Kultur für Kandidaten erlebbar zu machen.
- Recruiting ist Teamsache
Die Linie übernimmt wieder. Dank modernen digitalen Arbeitsmitteln und optimierten Sozialen Netzwerken kann die Linie die Rekrutierung in Zukunft vollkommen eigenständig durchführen. Unterstützt wird sie im Prozess allenfalls von einer HR-Helpline. Die Recruiting-Abteilung hat definitiv ausgedient.
- Verkehrte Welt
In einem Arbeitsmarkt, der vom Arbeitnehmer dominiert ist, wechseln die Rollen. Unternehmen müssen sich bei gesuchten Jobprofilen bewerben. Active Sourcing ist erst der Anfang. In Zukunft müssen Unternehmen ihr Mitarbeiterumfragen für Bewerber offenlegen, ihr Zahlen, ihre Projekte und ihre Strategie für Talente transparent machen. Bewerber können Testtage buchen und den CEO persönlich interviewen bevor sie sich für den Job entscheiden.
- It’s Sales stupid
Jobs verkaufen ist wichtiger als «für Jobs selektionieren». Selektion wird verdrängt durch Verkauf und Anpreisen von Positionen. «Candidate Relationship Manager», «Casting Office», «Talent Scout» und «Onboarding-Host» sind die Zukunft-Jobs im HR.
In drei Gruppen diskutieren wir in virtuellen Workshops die Vor- und Nachteile einer spezifischen These. Am Schluss präsentiert jeweils eine Gruppe das Resultat im Gremium. Anders als bei statischen Vorträgen herrscht eine angeregte Diskussion aller Beteiligten. Das Schöne daran: Jeder kommt zu Wort und kann seine Sichtweise kundtun.
Wie geht es weiter?
Es mag erstaunen, die absolute Lösung wurde an diesem Abend nicht gefunden 😉 Dennoch, drei konkrete Rekrutierungs-Erkenntnisse können festgehalten werden. Erstens, das Werben um Talente wird komplexer und aufwändiger. Zweitens, KI alleine ist nicht die Lösung und drittens, statische Prozesse werden nicht überleben. Und noch ein «Warnhinweis» für alle Leserinnen und Leser die in irgendeiner Form mit HR in Verbindung stehen: Der Mensch bleibt der wesentliche Erfolgsfaktor des Unternehmens. Diese Tatsache bitte niemals vergessen. Vielen Dank.