Vorstellungsgespräch: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold
Wer im Vorstellungsgespräch zu viel redet, schiesst sich damit selbst ins Aus. Wie Sie es schaffen, auch mit wenigen Worten die wichtigen Informationen zu vermitteln.
By Pamela Wolf, Februar 2023
Manche Menschen reden viel, aber sagen nichts. Bei Arbeitgebenden kommt das nicht gut an. Wir erleben häufig, dass sich Kandidatinnen und Kandidaten im Vorstellungsgespräch mit zu vielen Informationen die Chancen auf ihren Traumjob verbauen.
Too much Information: Warum ist das problematisch im Vorstellungsgespräch?
Weniger ist mehr. Hier sind ein paar Gründe, warum es sich lohnt, im Vorstellungsgespräch auf den Punkt zu kommen:
- Wer viel redet und wenig sagt, vermittelt seinem Gegenüber schnell den Eindruck, er oder sie sei unstrukturiert und könne nicht richtig priorisieren.
- Klar ist es wichtig, auf kritische Fragen aufrichtig zu antworten. Aber: Wer darauf zu ausführlich antwortet, weckt schlafende Hunde und lädt sein Gegenüber geradezu ein, unangenehme Rückfragen zu stellen.
- Zu viele Informationen können auch zu (scheinbaren) Widersprüchen in der eigenen Geschichte führen. Das schadet der Glaubwürdigkeit. Und im Zweifel fällt die Wahl dann eher auf eine andere, glaubwürdigere Person.
- Wer viel redet, verwässert Wichtiges mit leeren Worthülsen. Anders gesagt: Die wichtigen Botschaften gehen unter im Rauschen der Irrelevanz.
- Je mehr unnötige Worte, desto grösser die Gefahr, dass das Gesagte falsch ankommt und zu Missverständnissen führt.
- Wer viel redet, riskiert, sein Gegenüber nicht zu Wort kommen zu lassen. Und gerade Zuhören ist im Vorstellungsgespräch ein wichtiger Skill.
Warum kommen Menschen so sehr ins Reden?
Es gibt verschiedene Gründe, warum sich Kandidatinnen und Kandidaten um Kopf und Kragen reden:
- Nervosität. Sie gehört im Vorstellungsgespräch dazu, und ein gewisses Mass an Lampenfieber kann uns zu Höchstleistungen und absolutem Fokus bringen. Gleichzeitig kann es aber auch dazu führen, dass wir versuchen, die Nervosität wegzureden … und reden, reden, reden.
- Ehrlichkeit um jeden Preis. Natürlich sind Offenheit und Authentizität im Vorstellungsgespräch wichtig. Doch die Überzeugung, innert kürzester Zeit alles von sich preisgeben zu müssen, ist im Vorstellungsgespräch wenig hilfreich und führt oft zu einer Übermenge an Informationen.
- Viel hilft nicht unbedingt viel. Klar wollen Sie sich im Vorstellungsgespräch von der besten Seite zeigen, und Ihrem Gegenüber möglichst viel Positives über sich selbst berichten. Das ist auch grundsätzlich richtig – kann aber dazu führen, dass Sie mit leeren Selbstmarketing-Parolen das genaue Gegenteil erreichen.
- Die Wohlfühl-«Falle». Haben Sie sich in einem Vorstellungsgespräch auch schon so wohlgefühlt, dass Sie kurzzeitig vergessen haben, in welchem Setting Sie sich befinden? Das ist grundsätzlich eine gute Voraussetzung – kann aber auch zum Plaudern verführen.
So bringen Sie das Wesentliche auf den Punkt
Es gibt eine feine Balance zwischen Selbstmarketing, sachlicher Präzision und persönlichen Einblicken. Informationen dosieren, sich auf das Wesentliche konzentrieren und sich trotzdem gut verkaufen – das ist die hohe Kunst. Hier sind sieben Tipps, wie Sie das schaffen:
- Bereiten Sie sich vor
Vorbereitung ist alles. Überlegen Sie sich vor dem Gespräch, welche Fragen Ihr Gegenüber stellen könnte. Überlegen Sie sich aussagekräftige Antworten zu Themen wie Ihrem beruflichen Werdegang, Ihrer Motivation für diese Stelle, Ihren Stärken und Schwächen, Ihrer Arbeitsweise und Ihren Erwartungen an den Job. Filtern Sie aus Ihren Antworten die Essenz heraus, die Sie Ihrem Gegenüber vermitteln wollen. Sie dürfen sich auch gerne im Vorfeld Notizen machen.
- Beantworten Sie die Frage
Viele Bewerbende verstricken sich beim Beantworten einfacher Frage in allen möglichen Informationen – nur die Frage selbst bleibt am Ende unbeantwortet. Halten Sie Ihre Antworten so konkret und präzise wie möglich. Wenn Sie Ihr Gegenüber also nach Ihren Stärken, Schwächen oder bisherigen Karrierestationen fragt, antworten Sie kurz und knackig – und schweigen Sie dann erstmal.
- Üben Sie
Zugegeben: Die Stille, die nach einer kurzen Antwort folgt, gilt es auszuhalten. Gerade, wenn das Gegenüber ebenfalls einen Moment nichts sagt, ist die Versuchung gross, das Schweigen mit Zusatzinformationen zu füllen. Die gute Nachricht ist: Knapp und präzise zu antworten kann man üben. Nehmen Sie sich etwa in Ihrem Alltag immer mal wieder vor, sich in einem Gespräch möglichst kurz und prägnant zu halten. Oder üben Sie die konkrete Situation des Vorstellungsgesprächs mit einer Person Ihres Vertrauens.
- Haben Sie Mut zum Nachdenken
Sie dürfen ruhig einen Moment über Ihre Antworten nachdenken. Viele Menschen glauben, eine solche Pause im Gespräch liesse sie unsicher oder inkompetent aussehen. Das Gegenteil ist der Fall. Sie zeigen Ihrem Gegenüber damit, dass sie nicht einfach drauflosreden, sondern überlegen, bevor sie etwas sagen.
- Hören Sie zu
Im Vorstellungsgespräch geht es nicht nur darum, sich möglichst gut darzustellen, sondern auch darum, möglichst viel zu erfahren über den potenziellen zukünftigen Job, das Team, den Arbeitgeber und die Firmenkultur. Lassen Sie daher Ihr Gegenüber immer ausreden, stellen Sie Fragen und hören Sie aufmerksam zu.
- Achten Sie auf Ihr Gegenüber
«Zu viel» reden – was heisst das überhaupt? Generell lässt sich sagen: Nach etwa 20 Sekunden zuhören schwindet bei den meisten Menschen die Konzentration. Aber das ist eine sehr grobe Definition. Was für die einen ein angenehmes Gespräch ist, ist für andere schon ein «Zuquatschen». An der Reaktion Ihres Gegenübers können Sie allerdings gut erkennen, wo Sie stehen. Auch Rückfragen wie «Beantwortet das Ihre Frage?» schaffen Klarheit und zeigen ausserdem, dass Sie an einem echten Dialog interessiert sind.
- Halten Sie durch bis zum Schluss
Ihr Gespräch ging erfolgreich über die Bühne, Ihr zukünftiger Arbeitgeber bekundet Interesse und Sympathie. Doch gerade, wenn der Stress am Ende eines erfolgreichen Gesprächs nachlässt, ist die Gefahr gross, ins Quasseln zu kommen. Tun Sie es nicht! Der letzte Eindruck ist genauso wichtig wie der erste. Daher: Ziehen Sie Ihren souveränen Auftritt durch, bis Sie im Bus nach Hause sitzen.
Wir wünschen allen Bewerbenden viel Erfolg und einen kühlen Kopf!
Welche Erfahrungen haben Sie in Vorstellungsgesprächen gemacht – als Bewerber:in oder im Recruiting? Lassen Sie es uns wissen in einem Kommentar!