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Trends

«Karrieristen schaffen eine Art Louis XIV-Atmosphäre»

By Mai 10, 2015November 17th, 2017No Comments

 

«Handelszeitung» / von Madeleine Stäubli

Lohnen sich die neu entdeckten alten Werte wie Bescheidenheit für Führungskräfte gar nicht, da man mit ihnen nicht Karriere macht?
Thomas A. Biland: Kurzfristig mögen sie sich manchmal nicht lohnen – langfristig zahlen sie sich aus, da sie sich auf die Führungskraft respektive das Unternehmen imagebildend auswirken und zur positiven Differenzierung von der Konkurrenz beitragen. Wer langfristig im Geschäft erfolgreich sein will, wird sich sicherlich mit Vorteil an ihnen orientieren.

Ist das nicht zu optimistisch?
Die Frustration über den Verlust der Werte wird zunehmen. Weil das Misstrauen gegenüber Managern und Obrigkeit wächst, wird die Sehnsucht nach dem persönlichen «Handschlag der alten Schule» sowie Offenheit und Verbindlichkeit zunehmen.

Warum haben Karrieristen in Flautezeiten Hochkonjunktur?
Ehrgeizige Vorgaben hinsichtlich «quarterly earnings» setzen auf Kurzfristigkeit und auf das Vergessen – schnelle Erfolge verkaufen sich besser als langfristiges Überzeugen; das System des «Verkaufens und Blendens» wirkt attraktiver in der auf Effekthascherei ausgerichteten Welt.

Was bewirken Karrieristen-Chefs in ihrem Unternehmen?
Sie bewirken eine Zerstörung der Werte: Opportunismus, Politisieren, kurzfristiges Handeln, Unehrlichkeit und eine Ja-Sager- und Angst-Kultur können die Folge sein. Längerfristig werden sich damit die Firma und ihre fähigen, kritischen Mitarbeiter unter ihrem Potenzial entwickeln.

Warum sind Karrieristen nicht selten divenhafte Selbstdarsteller?
Weil sie nicht ihre Dienstleistung oder ihr Produkt, sondern sich selber verkaufen und eine Art Louis XIV-Atmosphäre schaffen, wo jeder möglichst nahe beim Sonnenkönig sein will.

Warum ziehen sie derart in Bann?
Weil sie, auf Äusseres bedacht, über eine Ausstrahlung verfügen und attraktiv sind und jeder von ihnen profitieren will.

Hat die Globalisierung diese Mentalität begünstigt?
Ja, weil Kontrolle und Überschaubarkeit nicht mehr gegeben sind, der Einsatz zeitlich limitiert ist und keine Verwurzelung oder Verbundenheit mehr mit dem Unternehmen entsteht.

Warum bleiben so viele Männer zwischen 30 und 50 in ihrer Persönlichkeitsentwicklung stecken?
Weil sie sich in einem System bewegen, das auf Status, Geld und Materielles ausgelegt ist, wo die weichen Faktoren wie Emotionen, Selbstkritik, Empathie und Demut als Schwäche ausgelegt werden.

Wo würden Sie den Hebel ansetzen, um dies zu ändern?
Spätestens in der höheren Ausbildung und der Kader-Nachwuchsförderung; Politik und Top-Management müssten vorbildhaft vorangehen.